Tanktouristen belasten deutsch-französisches Verhältnis

09. September 2022 , 13:00 Uhr

Seltz/Karlsruhe (ct) – Das sonst sehr freundschaftliche Verhältnis zwischen Deutschland und unseren französischen Nachbarn ist in diesen Tagen einem schweren Stresstest ausgesetzt. Ausgetragen wird er an den französischen Tankstellen in Grenznähe. Die Situation in Seltz und Scheibenhard im Elsass ist belastend und kaum zu kontrollieren. Pünktlich zum Ende des Tankrabatts auf deutscher Seite haben die benachbarten Franzosen ihrerseits den Tankrabatt verlängert und die Spritpreise weiter gesenkt. Je nach Ort, Zeit und Tankstelle kann der Preis für einen Liter Kraftstoff zu beiden Seiten des Rheins durchaus zwischen 0,30€ und 0,50€ auseinander liegen. Mit einmal im Elsass voll tanken ließen sich deutlich mehr als nur 20,00 € einsparen. Das ist Anreiz genug für viele Deutsche aus der Region den vergleichsweise sehr günstigen Sprit im benachbarten französischen Elsass zu holen.

Tanktourismus: Die Stimmung droht zu kippen

Es brodelt in der Grenzregion. Seit etwas mehr als einer Woche ist in Deutschland das 9€-Ticket und der Tankrabatt ausgelaufen und beendet. Gerade Pendler trifft der damit verbundene Anstieg der Benzinpreise mit voller Wucht. Pünktlich zum Ende des Tankrabatts auf deutscher Seite haben die benachbarten Franzosen ihrerseits den Tankrabatt verlängert und die Spritpreise weiter gesenkt. Je nach Ort, Zeit und Tankstelle kann der Preis für einen Liter Kraftstoff zu beiden Seiten des Rheins durchaus zwischen 0,30€ und 0,50€ auseinander liegen. Mit einmal im Elsass voll tanken ließen sich deutlich mehr als nur 20,00 € einsparen. Das ist Anreiz genug für viele Deutsche aus der Region den vergleichsweise sehr günstigen Sprit im benachbarten französischen Elsass zu holen.

Tankstellen werden dauerhaft belagert

Auch weitere Anfahrten werden in Kauf genommen. Und so reihen sich seit Tagen selbst Autokennzeichen aus dem nördlichen Schwarzwald in die schier endlosen Warteschlangen vor den französischen Zapfsäulen ein. Und eben diese sind breiter als sonst, länger als sonst und scheinen nur noch aus deutschen Kennzeichen zu bestehen. Nahezu rund um die Uhr bedrängen und belagern die Sprittouristen die Tankstellen. So stehen an einem normalen Werktag um 16:30 Uhr 38 Fahrzeuge an zwei Zapfsäulen eines Supermarktes in Seltz an, gerade zwei davon haben ein heimisches französisches Kennzeichen. Fünf Minuten später hat sich kaum ein Fahrzeug näher an die Zapfpistole angenähert, dafür hat sich die Schlange um weitere sechs Autos verlängert. Kann es sonst nicht schnell genug gehen, ist hier die Geduld und Beharrlichkeit groß. Eine weitere Minute später hängt ein Angestellter der Tankstelle ein Schild aus: „Super 95/E10 ausverkauft“. Wer dafür angestanden ist, der versucht nun verzweifelt aus der Warteschlange heraus zu fahren. Die blank liegenden Nerven kann man förmlich riechen.

Sprit geht immer schneller aus

Eine Tankstelle weiter ist es kurz darauf erwartungsgemäß noch schlimmer. Hier stehen vier Zapfsäulen zur Verfügung, die von mehr als sechzig Autos, acht Motorrädern und sogar elf LKW genutzt werden möchten. Die Wartezeit vom letzten Platz bis ganz nach Vorne dürfte nicht unter zwei Stunden liegen und auch hier ist es ungewiss, ob der gewünschte Kraftstoff beim Erreichen der Zapfpistole überhaupt noch verfügbar ist. Eine Angestellte des Supermarkts blickt auf die Schlange. In diesem Blick finden sich alle möglichen Emotionen, von Verständnis bis Fassungslosigkeit, Faszination bis Wut. „Wenn wir morgens hier ankommen sind die Säulen schon belagert. Wenn wir abends gehen ist es noch schlimmer. Es ist ja schön, dass wir diesen Sprit verkaufen können, aber wir brauchen eben auch welchen für uns selbst. Und für uns bleibt da fast nichts mehr. Momentan bekommen wir den gar nicht so schnell angeliefert, wie wir ihn bräuchten. Und wenn der Tankwagen erst nachfüllen muss, dann ist das immer ein bisschen angespannt. Das geht schon seit Tagen so. Da ist die Politik gefragt, es muss Hilfe her“.

„Man fährt dreimal her und schaut ob es wieder Sprit gibt“

Auf dem Parkplatz wartet eine neue-welle-Hörerin. Sie lebt seit fünfzehn Jahren in Frankreich, ist hier verheiratet und der Liebe wegen hergezogen. Auch ihr Blick geht auf die endlose wirkende Warteschlange, die eher länger als kürzer zu werden scheint. Ihren Namen möchte sie nicht verraten, aber dass sie sich nicht in die Wartereihe einstellen wird, das verrät sie uns. „Die Leute, die arbeiten gehen und hier wohnen und auf den Sprit angewiesen sind, bekommen oftmals keinen mehr. Vor allem auch das medizinische Personal, die müssen ja auch zur Arbeit. Dann gehen die hier zum Tanken und stehen schonmal eine halbe Stunde bis Stunde an der Tankstelle, bis sie vielleicht ihren Sprit bekommen. Dann fährt man oftmals bis zu dreimal hierher und schaut ob es jetzt Sprit gibt oder keinen Sprit. Am Sonntag war der Diesel komplett leer, jetzt ist das Super E10 alle“.

Kanister als Problem

An der Zapfsäule scheint inzwischen nur noch der eigene Tank zu zählen. Anstand und Benehmen werden zur Mangelware. Hörerin Celine ist ebenfalls Elsässerin und hat kein Verständnis dafür, „dass wir Franzosen teilweise nachts oder für teures Geld in Deutschland tanken müssen um überhaupt noch arbeiten gehen zu können. Sehr viele haben zwei bis vier  20l Kanister im Kofferraum die sie direkt im Kofferraum befüllen. Ich verstehe nicht wie man so egoistisch sein kann“.

Sprit in Wasserflaschen abgefüllt

Kanister sind generell vor Ort gerade auch nicht mehr zu bekommen. Völlig rücksichtlose Sprittouristen sollen in ihrer Verzweiflung schon 5 Liter Wasserflaschen gekauft, sofort ausgeschüttet und mit Benzin oder Diesel zu betanken versucht haben. Versuche sie daran zu hindern eskalierten völlig. Ein völlig unsachgemäßes und brandgefährliches Verhalten, denn der ohnehin schon dünne Kunststoff der Flasche wird vom Benzin sofort angegriffen und zersetzt, der Sprit läuft aus. Generell darf in Frankreich eine Maximalmenge von zehn Litern Kraftstoff in einem Fahrzeug mitgeführt werden. Wie in Deutschland gilt, dass dies in einem zertifizierten und dafür geeigneten Behälter erfolgen muss und der auch entsprechend gesichert sein muss. Wer gegen diese Auflagen verstößt, kann mit einem sehr hohen Bußgeld von mehreren hundert Euro belegt werden. Und wer bei seiner Rückfahrt nach Deutschland mit mehr als zwanzig Litern im Auto erwischt wird, der zahlt beim Einfuhrversuch die Mineralölsteuer nach, zusätzlich zum Bußgeld.

„Für jeden dreißig Liter !“

Die angespannte Lage wirkt sich auch aufs Internet aus. In den sozialen Netzwerken oder den lokalen Foren zum Leben im Pamina-Raum wird seit Tagen kontrovers über die Tankstellenbelagerung diskutiert. Und auch hier wird der Ruf nach einem Einschreiten, einer Regelung oder schneller Abhilfe täglich lauter, der Ton rauher. Manche möchten die Tankstellen abschließen, wieder andere machen die Politik verantwortlich und fordern ein schnelles Einlenken. Für unsere Hörerin im Elsass wäre eine erste Lösung einfacher und wesentlich unbürokratischer: „Meine Meinung ist definitiv für jeden dreißig Liter. Dann hat auch jeder was davon. Es ist ja so, wenn ich in den Supermarkt gehe und sehe da zwei Päckchen Zucker stehen und ich brauche Zucker, dann nehme ich keine zwei Päckchen, sondern ich nehme ein Päckchen, damit für jemand anderen auch noch etwas da ist. Aber ich nehme ich alles. Definitiv ist es aber so, dass das schon ein Tanktourismus ist. Die können ja auch alle rüber kommen, wir gehen ja auch zum Einkaufen rüber, auch kein Thema. Aber man sollte schon ein bisschen auch noch an den Anderen denken und nicht sich den Tank und die Kanister voll machen und der hinter bekommt dann keinen Sprit mehr“.

Wichtige Tipps aus der neue-welle-Redaktion

Wer dennoch unbedingt seinen Tank in Frankreich zu füllen versuchen möchte, sollte vielleicht auf ein paar Dinge achten.
Das Wichtigste vorweg: es wäre in der jetzigen Situation durchaus angebracht vielleicht wirklich aufs komplette Vollmachen verzichten.
Auch empfiehlt es sich vor der Anfahrt etwas zu rechnen. Man sollte in jedem Fall mindestens noch so viel Kraftstoff im Tank haben, dass auch der Rückweg sichergestellt ist, falls man selbst in die leere Tankstelle guckt.
Wer aus der unmittelbaren Grenznähe etwas weiter ins Land hineinfährt, der wird eher an Sprit kommen, der Andrang ist hier nicht ganz so enorm.
Für Kanister gilt in Frankreich die klare Regelung, dass sie nicht größer als 10 Liter Fassungsvermögen sein dürfen. Mehr darf in einem Fahrzeug auch nicht transportiert werden.

Wer Sprit nach Deutschland mitbringen möchte, muss das in einem dafür gekennzeichneten und zugelassenen Kanister tun. Wer der Versuchung nicht widerstehen kann mehr als 20 Liter Sprit im Auto zu kutschieren und erwischt wird, der kann davon ausgehen, dass er die Mineralölsteuer nachzahlen muss, zusätzlich zum Bußgeld.
Einige Apps zeigen inzwischen nicht nur den aktuellen Spritpreis von französischen Tankstellen an, sondern auch, ob es dort überhaupt noch welchen gibt. Vor der Anfahrt zu schauen lohnt sich also.

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