Strobls Vorschlag eines kurzzeitigen Lockdowns bekommt Gegenwind

27. Oktober 2020 , 15:59 Uhr

Karlsruhe/Stuttgart (dpa/lk) – Vor der neuen Bund-Länder-Runde zum weiteren Vorgehen in der Corona-Pandemie am Mittwoch sorgt der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl mit dem radikalen Vorschlag für einen strengen, aber kurzzeitigen Lockdown für Aufsehen. Der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende fordert bei einer weiteren Verschärfung der Lage einen gut einwöchigen Lockdown in Deutschland. Während Teile der Wissenschaft seine Idee untermauern, stößt Strobl bei seinem baden-württembergischen Koalitionspartner, der Opposition und sogar in den eigenen Reihen auf breite Skepsis und Ablehnung. Mehrere Verbände halten einen Lockdown dagegen durchaus für möglich.

Kurzer Lockdown, um Weihnachten zu feiern

„Wenn die Zahlen sich weiter so entwickeln, dann müssen wir Maßnahmen in den Blick nehmen, etwa, dass wir auch einmal für eine Woche alles dicht machen, dass von Freitag bis Sonntag die Woche drauf gar nichts mehr geht“, sagte Strobl dem Nachrichtenportal „The Pioneer“ am Dienstag. Auf die Frage, ob die Schließung auch Schulen, Kitas und Geschäfte betreffen würde, sagte Strobl: „Alles heißt alles.“ Das bedeute auch Einschränkungen im Grenzverkehr. Damit könne man das Infektionsgeschehen zum Stillstand bringen, argumentierte Strobl, ohne auf Details einzugehen. Der Vorteil dieser „sehr, sehr harten“ Lösung wäre die zeitliche Begrenzung. Der CDU-Politiker betonte aber auch, dann wären ein Weihnachtsgeschäft und eine gemeinsame Weihnachtszeit mit der Familie wieder möglich.

Gegenwind für Strobls Vorstoß

Auf breiten Zuspruch für seinen Vorschlag kann Strobl zunächst nicht hoffen. Aus Regierungskreisen in Stuttgart hieß es, es werde wegen des Lernerfolgs aus den Monaten März und April weiter alles daran gesetzt, Schulen, Kitas und die Wirtschaft unter Pandemiebedingungen in Betrieb halten zu können. Zudem würden nach der neuen Bund-Länder-Runde am Mittwoch „erhebliche Maßnahmen zu Kontakten der Menschen in Alltag und Geschäft“ erwartet, hieß es weiter. Dem Vorschlag Strobls stehe man skeptisch gegenüber. Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz sprach von einem „medialen Schnellschuss“ des Ministers. Kopfschütteln auch bei der SPD: „Offensichtlich hat der Innenminister überhaupt nichts aus den folgenschweren Grenzschließungen im Frühjahr gelernt“, kritisierte deren Fraktionschef Andreas Stoch. „Das Virus kennt keine Grenze und überträgt sich auch nicht von Nation zu Nation.“ Die FDP warnt ebenfalls vor einem Lockdown: „Das hätte fatale Folgen für unsere Wirtschaft“, sagte Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke.

Kritik auch aus den eigenen Reihen

Gegenwind bekommt Strobl auch aus den eigenen Reihen. „Unser Land in einen kompletten Lockdown zu versetzen und alles dichtzumachen und herunterzufahren, hätte nicht nur wirtschaftlich, sozial und bildungspolitisch verheerende Folgen“, sagte die CDU-Kultusministerin Susanne Eisenmann. „Es wäre derzeit auch nicht verhältnismäßig.“ Das Land müsse „zielgerichtet agieren und reagieren.“ Ein einwöchiger Lockdown hätte aber nur einen kurzen, zeitweisen Effekt. „Das Virus verschwindet deshalb ja nicht.“

Strobl verteidigt seinen Vorstoß

Strobl hat seinen Vorschlag eines gut einwöchigen Lockdowns bei einer weiteren Verschärfung der Corona-Lage in Deutschland verteidigt. „Es gehört zur Vorsorge in der Pandemie, bereits jetzt Szenarien zu entwerfen und sich vorzubereiten“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. „Wir brauchen einen Blick in den Werkzeugkasten der Pandemie-Bekämpfung […] Falsch wäre sicher, es einfach laufen zu lassen.“ Sollte sich die Zahl der Corona-Infizierten weiter so entwickeln wie in den vergangenen Tagen, komme das Land um weitere Maßnahmen definitiv nicht herum. „Eine Maßnahme aus dem Instrumentenkasten kann ein zeitlich eng begrenzter Lockdown sein“, sagte Strobl. „Das bedeutet: zeitlich sehr eng begrenzt, für eine gute Woche alles zumachen und schließen und damit die Kontakte maximal reduzieren.“ Natürlich sei es besser, die Pandemie auch mit weniger harten Maßnahmen in den Griff zu bekommen.

Bund-Länder-Runde am Mittwoch

Bei den Gesprächen am Mittwoch will das Kanzleramt nach „Bild“-Informationen für mögliche weitere Einschränkungen des öffentlichen Lebens werben. Im Gegensatz zum Lockdown im Frühjahr sollten Schulen und Kitas jedoch weiter geöffnet bleiben, außer in Regionen mit katastrophal hohen Infektionszahlen, berichtete die Zeitung am Montagabend. Auch der Einzelhandel solle mit neuen Einschränkungen offen bleiben. Laut „Bild“ will das Kanzleramt vor allem bei Gastronomie und Veranstaltungen hart vorgehen.

Zuspruch dagegen von Göttinger Forscherin

Dagegen hält die Göttinger Forscherin Viola Priesemann vom Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation einen befristeten Lockdown durchaus für sinnvoll: „Wenn man den Lockdown kurz und konzertiert macht, ist es für alle gut“, sagte sie dem Deutschlandfunk. „Für die Menschen, für die Wirtschaft, für die Gesundheit, für unser Sozialleben.“ Es reiche nicht aus, wenn sich 70 Prozent der Leute ein wenig zurücknähmen und 30 Prozent der Menschen nicht. Insofern werde es ohne eine konzertierte Aktion enorm schwierig, die Fallzahlen wieder herunterzubekommen.

Der baden-württembergische Städtetag schließt einen strikten Lockdown im Land nicht vollkommen aus, sollte die Zahl der Infektionen trotz schärferer Einschränkungen weiter steigen. Statt einer stufenweise Wiederholung des Lockdowns vom Frühjahr sei in diesem Fall „ein gut vorbereiteter, zeitlich strikt begrenzter und damit kalkulierbarer umfassender Shutdown von einigen Tagen, der auch den privaten Bereich erfasst, wirksame“», sagte der Präsident des Städtetags und Mannheimer Oberbürgermeister, Peter Kurz. Ein „lockdown light“ hätte hingegen mehr Schaden als Nutzen. Der Städtetag schlägt zuvor aber konsequentere Quarantänen vor, die über allgemeine Anordnungen, ein gutes Kontaktpersonenmanagement und schnellere Prozesse bei den Gesundheitsämtern ermöglicht werden könnten. 

Radikale Idee, aber diskussionswürdig

Die baden-württembergischen Arbeitsgeberverbände nannten die Idee radikal, aber diskussionswürdig. Zwar bevorzugten die Arbeitgeberverbände ein regional fokussiertes Vorgehen gegen die Pandemie. Doch sei die Idee Strobls sehr umfassend und kurzzeitig. „Vielleicht könnte sie maximal wirken, ohne übergroßen Schaden in der Wirtschaft anzurichten. Das gilt es, noch genauer zu prüfen“, sagte der Hauptgeschäftsführer der Arbeitgeber Baden-Württemberg, Peer-Michael Dick.

Zwei Drittel der Deutschen rechnen mit Lockdown

Inzwischen rechnen fast zwei Drittel der Deutschen nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur damit, dass es wegen der dramatisch steigenden Corona-Infektionszahlen wieder zu Schließungen von Geschäften, Restaurants oder Schulen kommen wird. Demnach sagten 63 Prozent, dass sie einen solchen Lockdown erwarten. Nur 23 Prozent glauben nicht daran, 13 Prozent machten keine Angaben. Einer weiteren Umfrage zufolge hält gut jeder zweite Deutsche die geltenden Auflagen zur Eindämmung der Pandemie für angemessen.

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