So wehren Sie sich gegen Corona Abzocke – Tipps vom Anwalt

02. April 2020 , 08:38 Uhr

Karlsruhe (ct) Haben Sie sich auch schon über findige Zeitgenossen aufgeregt, die gerade versuchen aus der Not anderer Mitmenschen Kapital zu schlagen? Vielleicht sind Sie selbst bereits auf horrende Angebote eingegangen, weil Sie es schlicht und ergreifend mussten und keine andere Wahl oder bezahlbare Alternative hatten? Wenn urplötzlich ein Desinfektionsspray für 30,00 Euro statt für 3,00 Euro angeboten wird oder Mundschutzmasken kaum noch bezahlbar sind, dann liegt wohl deutlich auf der Hand, dass der anbietende Verkäufer ein gnadenloses Fehlverständnis von „Preis und Nachfrage“ und freier Marktwirtschaft besitzt. Wie eine Spinne in ihrem Netz lauert er auf jeden Kunden, der bereit ist aus Verzweiflung oder Not heraus den geforderten Betrag zu bezahlen.

Wucher ist gesetzlich verboten

Doch gerade in Zeiten wie diesen muss ein Geschäftsmodell, das auf der Angst und der Not anderer Menschen aufbaut, mit einem juristischen Nachspiel rechnen. Sie müssen diese Abzocke in der Not nicht hinnehmen und können sich sogar erfolgreich dagegen wehren. Weshalb das so ist, das steht im bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Dort heisst es: §138 (2) „Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage […] eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.“

Was sagt der Experte?

die neue welle hat das für Sie in praktisches Deutsch übersetzen lassen, von jemandem, der sich damit auskennt. Dr. Christian Karl ist Rechtsanwalt bei Schütz Rechtsanwälte in Karlsruhe.

Herr Dr. Karl, eine Zwangslage – das ist juristisch ja sicher nicht ganz so einfach zu belasten und Deutschland war ja auch noch nie in einer solchen Situation. Sinnlose Hamsterkäufe, verschiedene vor allem medizinische Artikel werden knapp und sind schwerer oder nur langfristig beschaffbar. Ist das, was wir gerade erleben, denn wirklich eine solche Zwangslage von der das Gesetz spricht?

Dr. Christian Karl: „Die derzeitige Situation stellt mit Sicherheit auch für große Teile der Bevölkerung eine entsprechende Zwangslage dar. Zu Denken wäre hier beispielsweise an alle im Gesundheitswesen beschäftigten Personen, die sich nicht anders zu helfen wissen oder Risikopatienten, sodass genau von einer solchen Zwangslage hier auszugehen ist.“

Damit wäre die eine Hälfte des Gesetzes als erfüllt festgestellt. Aber ist es denn auch ein auffälliges Missverhältnis, wenn ich für 10 Mundschutzmasken, normalerweise Centartikel, 150 Euro zahlen soll? Immerhin könnte der Anbieter ja mit der freien Marktwirtschaft oder Vertragsfreiheit argumentieren. Angebot, Nachfrage und so weiter…

Dr. Christian Karl: „In solchen Fällen ist, bei aller Liebe zur Marktwirtschaft und zu den Gesetzen von Angebot und Nachfrage, selbstverständlich von einem groben Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung auszugehen. Das heißt, im Prinzip ist hier die Faustregel schon, dass ein Kaufpreis der mindestens 100 Prozent über dem üblichen Marktpreis lag, hier ein entsprechend auffälliges Missverhältnis darstellt.“

Damit sind beide Voraussetzungen des §138 (2) BGB gegeben, um den Wucher zu bestätigen. Kann ich unter diesen Umständen mein Geld wieder zurückverlangen?

Dr. Christian Karl: „Wenn sich solche Rechtsgeschäfte als nichtig wegen Wucher erweisen, ist die Rechtsfolge, dass eine Rückabwicklung der Geschäfte möglich ist, ja. Die praktische Möglichkeit fürchte ich allerdings in dem Umstand, dass die Händler nur sehr schwer zu ermitteln sein dürften. Erfahrungsgemäß treiben sich bis heute auf den entsprechenden Plattformen doch betrügerische Anbieter um, deren Identität nicht immer ganz leicht zu ermitteln sein dürfte. Möglicherweise helfen auch die Plattformen, die ja schon vor einigen Wochen zumindest angekündigt hatten entsprechende Angebote von Anfang an zu verhindern. Aber Geschichten von Betroffenen hört und liest man natürlich in letzter Zeit trotzdem noch.“

Die Plattformen greifen also durch. Wer mit der Not anderer das große Geld machen möchte, der bekommt tatsächlich Schwierigkeiten?

Dr. Christian Karl: „Vielleicht an dieser Stelle aus der eigenen Lebenserfahrung die Anekdote eines betroffenen Freundes, der vergangenes Wochenende sein Fahrrad über Ebay-Kleinanzeigen verkaufen wollte und als Tauschangebot 10 Atemschutzmasken angeboten bekam. Mit dem Hinweis des entsprechenden Interessenten für das Fahrrad, dass er hier diese Masken gebunkert hat und Ebay ihm den Weiterverkauf verbietet und er jetzt darauf sitzen bleibt.“

Unglaublich. Wenn ich nun doch abgezockt wurde, muss ich dann direkt den Verkäufer oder Händler angehen oder doch eher die Plattform oder das Portal belasten, weil sie solche Angebote zugelassen haben?

Dr. Christian Karl: „Im ersten Schritt sollte man versuchen gegen den Anbieter und Händler direkt vorzugehen, der ja der eigene Vertragspartner primär war. Die Plattform selbst trifft üblicherweise keine proaktive Prüfpflicht was die dort angebotenen Inhalte angeht. Unterscheiden muss man hier zwischen strafrechtlich relevanten Angeboten, zwischen verschiedenen Rechtsverletzungen die möglich sind auf diesen Plattformen und dann ist es natürlich auch von Plattform zu Plattform unterschiedlich, wie seriös und transparent sich Anbieter dort präsentieren.“

Wie könnte denn eine denkbare und möglichst einfache Lösung aussehen, um künftig solchen Wucher zu unterbinden?

Dr. Christian Karl: „Eine aus anwaltlicher Sicht denkbare Lösung oder Unterstützung wäre natürlich, dass sich seriöse Anbieter von Medizinprodukten entsprechend gegen die unseriösen und wucherhaften Angebote und Anbieter zur Wehr setzen und hier im Rahmen von wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen beispielsweise gegen diese Anbieter vorgehen.“

Wie gut stehen denn die Erfolgsaussichten, wenn man sich rechtlich gegen so einen Wucher durchsetzen will?

Dr. Christian Karl: „Die Erfolgsaussichten stehen sehr gut. Natürlich immer in Abhängigkeit von der Greifbarkeit des Händlers.“

Und wie setze ich das dann durch? Muss ich zur Polizei, zum Anwalt? Welchen Tipp haben Sie?

Dr. Christian Karl: „Den Gang zur Polizei wird man voraussichtlich nur in wirklich wenigen Fällen empfehlen können, nämlich immer dann, wenn eine wirkliche individuelle Betroffenheit besteht. Wir haben einen Paragraphen §291 im Strafgesetzbuch, der den Wucher unter Strafe stellt, also neben den zivilrechtlichen Möglichkeiten auch eine staatliche Sanktionierung vorsieht. Hier muss man aber wirklich im Einzelfall sehen, ob eine individuelle besondere Betroffenheit vorliegt. Stattdessen empfehle ich eine direkte Kontaktaufnahme mit dem Anbieter, mit der Aufforderung das Rechtsgeschäft rückabzuwickeln. Alternativ, falls hier keine Reaktion erfolgt und man selbst nicht weiter kommt, dann muss man solche Forderungen anwaltlich geltend machen.

Fazit

Wucher kann also nicht nur sittenwidrig sein, sondern sogar eine Straftat darstellen, die mit bis zu 3 Jahren Freiheitsstrafe oder einer hohen Geldbusse geahndet wird. Wenn Sie selbst etwas gegen diese Form des Wuchers unternehmen möchten, dann kaufen Sie möglichst nicht bei Händlern, deren Angebote Ihnen überzogen erscheinen. Versuchen Sie im Zweifelsfall vor einem Kauf mit dem Händler in Kontakt zu treten und scheuen Sie sich auch nicht davor, die anbietende Plattform oder das Portal zu informieren. Wenden Sie sich bei berechtigten Zweifeln oder einer Schädigung an Ihren Anwalt oder an die Polizei.

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