Nur ein Airport fürs Land? Regionalflughäfen unter Druck

08. Dezember 2021 , 10:36 Uhr

Rheinmünster (dpa/lk) – Überflüssig, unrentabel und schlecht für das Klima? Regionalflughäfen haben derzeit einen schweren Stand. Ginge es nach Umweltschützern, sollte man gleich eine ganze Reihe von ihnen dicht machen. Auch der zweitgrößte Flughafen im Land, der Flughafen Karlsruhe/Baden-Baden in Rheinmünster, ist ins Visier der Kritiker geraten. Doch die Airports Karlsruhe und Friedrichshafen geben sich selbstbewusst. Und das Land baut auf sie.

Land stärkt Regionalflughäfen

Klimawandel und Corona: Ist die Insolvenz des Hunsrück-Flughafens Hahn nur der Anfang? Sind Regionalflughäfen ein Auslaufmodell? „Auf keinen Fall“, sagt Uwe Kotzan, Chef des Flughafens Karlsruhe/Baden-Baden. „Der Verkehrsbedarf muss da aufgefangen werden, wo er entsteht. Wir brauchen den dezentralen Luftverkehr.“ Das Land sieht das ähnlich. Doch verschärfte Klimaschutzziele befeuern die Debatte.

BUND fordert Schließung

Aus Sicht des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland sollten 7 von 14 Regionalflughäfen bundesweit sofort geschlossen werden. In einer Studie mit dem Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft hat er vor einem Jahr den Subventionsstopp von defizitären Airports gefordert, die mit Billig-Urlauber-Flügen die Klimakrise anheizten. Nur drei Regionalflughäfen hätten einen verkehrspolitischen Nutzen durch die Anbindung ihrer Region an den internationalen Flugverkehr: Bremen, Dresden und Friedrichshafen. Der Baden-Airport konnte demnach immerhin mit einem „klaren Fluggastzuwachs“ punkten.

Auf Kosten des Klimas

Regionalflughäfen seien kaum wirtschaftlich und gingen auf Kosten des Klimas und der Steuerzahler, so das Resümee der Studie. Auch nach Einschätzung von Luftfahrtexpertin Yvonne Ziegler könnte man einige defizitäre Regionalflughäfen schließen. Zugleich verweist die Professorin der Frankfurt University of Applied Sciences auf die Notwendigkeit von Zubringern für die Langstrecke. Im Europaverkehr könne eine gute Bahnverbindung bereits Flüge erfolgreich ersetzen. „Wir brauchen einen leistungsfähigen Flughafen im Land. Ein Regionalflughafen, der nicht unbedingt sein muss, muss von Zeit zu Zeit auf den Prüfstand – aus Klimaschutzgründen, aber auch aus wirtschaftlichen Erwägungen“, meint die Stuttgarter Grünen-Stadträtin Gabriele Nuber-Schöllhammer. Sie ist Aufsichtsrätin beim Stuttgarter Flughafen, dem Mehrheitseigner am Flughafen Karlsruhe/Baden-Baden.

Baden-Airpark soll bleiben

Für das Land Baden-Württemberg – es hält 65 Prozent am Flughafen Stuttgart – ist ein Ausstieg aus dem Baden-Airpark hingegen kein Thema. „Der Baden-Airport hat zusammen mit dem dazu gehörenden Baden-Airpark eine wichtige regionalwirtschaftliche Bedeutung, und er gehört unter den Regionalflughäfen zu den erfolgreichsten“, heißt es aus dem Verkehrsministerium. Im Flughafen und im Gewerbepark arbeiten 3.000 Menschen in mehr als 100 Firmen. Er erreicht rund sechs Millionen Einwohner im Radius von einer Stunde Fahrzeit. Urlaubsflieger machen von den jährlich 35.000 Flugbewegungen etwa ein Drittel aus, sagt Flughafenchef Kotzan. Das Gros seien Linienflüge, Geschäfts- und Frachtverkehr; und es heben den Angaben nach Rettungsflieger ab.

Betreiber geben sich selbstbewusst

Die Behauptung, alle Regionalflughäfen hingen am Subventionstropf, weist er zurück: „Wir haben genügend Rücklagen. Der Flughafen Karlsruhe/Baden-Baden hat bis 2019 operativ schwarze Zahlen geschrieben.“ Auch mit den Passagierzahlen ging es seit 2014 stetig bergauf: 2019 wurden 1,3 Millionen Passagiere gezählt, 2020 wegen des Corona-Lockdowns 450.000, dieses Jahr werden etwa 750.000 erwartet. Auch beim Flughafen Friedrichshafen zeigt man sich selbstbewusst: Ein Sprecher verweist auf eine jährliche Bruttowertschöpfung in Höhe von 54 Millionen Euro. Der Bodensee-Airport sei für die Industrie unverzichtbar. „Er öffnet den Unternehmen das Tor zu den weltweiten Produktionsstandorten in Asien, Amerika und Afrika.“ Das laufende Insolvenzverfahren sei auf gutem Weg. Bis zum Jahresende wird von der EU eine Entscheidung zum Umstrukturierungsplan erwartet. „Dann kann das Insolvenzverfahren offiziell erfolgreich abgeschlossen werden.“

Auswirkungen der Pandemie

Corona hat dem Flughafenverband ADV zufolge alle Flughäfen gebeutelt. Doch die Kleinen hat es stärker getroffen, weil sich Bund und Länder bei ihrer Rettungsaktion auf große Flughäfen konzentrierten. „Im Großen und Ganzen gingen die kleineren Flugplätze nahezu leer aus“, so die Interessengemeinschaft der regionalen Flugplätze. So hat der Flughafen Stuttgart von Bund und Land 30 Millionen Euro für die Aufrechterhaltung des Betriebs im ersten Corona-Lockdown 2020 erhalten – was nur einen Teil der Vorhaltekosten abdeckte. „Die Auswirkungen der Pandemie auf den Luftverkehr waren auch am Flughafen Stuttgart drastisch“, sagt ein Sprecher. Nach einem Geschäftsergebnis in Höhe von 50,2 Millionen Euro in 2019 musste der Flughafen 2020 pandemiebedingt ein Minus von 96,9 Millionen Euro ausweisen. Der Baden-Airport bekam 670.000 Euro und Flugsicherungskosten erstattet.

Stabile Logistik- und Versorgungsketten

Laut Flughafenverband ADV erfüllen Regionalflughäfen wichtige Funktionen vor Ort. Die Bedeutung habe sich auch im Corona-Lockdown gezeigt: „Flughäfen waren unverzichtbar für die Aufrechterhaltung stabiler Logistik- und Versorgungsketten.“ Grünen-Verkehrsminister Winfried Hermann sieht dies ähnlich, betont aber: „Die Landesregierung verfolgt das Ziel, Kurzstreckenflüge durch attraktive Angebote im Bahnverkehr zu reduzieren und möglichst überflüssig zu machen.“ Doch noch sind gute Bahnanbindungen rar. Von Friedrichshafen fliegt die Lufthansa zweimal täglich nach Frankfurt. Die Anbindung via Straße und Schiene sei nach wie vor unterentwickelt, so ein Sprecher. Und wer von Karlsruhe zum Stuttgarter Flughafen will, muss viel Zeit einplanen.

Fliegen muss klimaschonend werden

Flughäfen sind nach Ansicht von Minister Hermann für das Exportland Baden-Württemberg wichtig. Fliegen müsse aber durch erneuerbare Kraftstoffe klimaschonend werden. Richtig, meint Expertin Ziegler. Doch das sei noch ein langer Weg. Ganz ersetzen lasse sich das Fliegen aus ihrer Sicht nie.

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