Region (lea) – „Retten, Löschen, Bergen, Schützen“ – das ist das Motto der Feuerwehr. Ob die Katze vom Baum geholt werden muss, der Herd brennt oder die Haustür nicht aufgeht, die Feuerwehrmänner- und Frauen sind immer zur Stelle. Aber wie lange noch? Derzeit erleben die Freiwilligen Feuerwehren der Region ihren ganz persönlichen Fachkräftemangel: Die Babyboomer gehen in Rente, aber der Nachwuchs reicht nicht aus. „Das kann so nicht weitergehen“, dachten sich zwei Studenten und entwickelten eine Imagekampagne – die „Hundert12“. Mit ihrem authentischen Vorreiterprojekt sorgen sie landesweit für Aufmerksamkeit.
„In den nächsten fünf bis acht Jahren werden uns die Babyboomer-Generationen verloren gehen“, sagt Jürgen Segewitz. Der Vorsitzende des Kreisfeuerwehrverbandes Rastatt ist seit mehr als 40 Jahren Feuerwehrmann. „Mit ganzem Herzen“, betont er und lacht. Dann fährt er fort: „Bei uns gibt es eine Altersgrenze von 65, danach muss man aus dem aktiven Dienst ausscheiden.“ Das führt zu Problemen.
„Derzeit haben wir im Landkreis 2.746 Feuerwehrkräfte. In den nächsten Jahren werden uns mehr als 390 Kräfte fehlen.“ So weit soll es erst gar nicht kommen. Denn im schlimmsten Fall und bei anhaltendem Mangel müssten die Kommune eine Pflichtfeuerwehr aufstellen, erläutert Segewitz. Konkret heißt das: Der Bürger kann verpflichtet werden, Feuerwehrdienst zu leisten. Es sei denn, er kann triftige Gründe vorweisen.
Um den Worst Case umgehen zu können, betreibt der Kreisfeuerwehrverband daher aktive Jugendarbeit. „Wir haben über 1.000 Jugendliche im Landkreis in unseren Feuerwehren“, so Segewitz. Das sei zwar erfreulich, aber nur ein Teil der Lösung. „Denn viele Jugendliche verlassen die Feuerwehr irgendwann wieder. Sie ziehen um wegen des Studiums, oder haben plötzlich andere Interessen.“ Die Freiwillige Feuerwehr setzt daher auf Quereinsteiger. Denn die würden meist dauerhaft bleiben.
An diesem Punkt kommt die Kampagne „Hundert12“ ins Spiel.
„Wir retten auch deine Uschi aus der Baumkrone“, steht auf einem der Plakate der Kampagne „Hundert12“. Vor rot-nebligem Hintergrund steht Lukas. Er ist Truppmann und trägt stolz seine rote Feuerwehrmontur. Auf dem Arm hält er eine weiße, nicht ganz so begeistert dreinblickende Katze. Das Plakat erregt Aufmerksamkeit und sorgt für den ein oder anderen Lacher. Ganz nebenbei wirbt es für die Arbeit bei der Freiwilligen Feuerwehr. Markus Meier und Arvin Nesselhauf haben die Kampagne ins Leben gerufen. Die beiden sind studierte Grafikdesigner.
„Die Hundert12 ist eine Imagekampagne (https://hundert12.info/) der Feuerwehr zur Mitgliedergewinnung. Wir haben uns zur Aufgabe gemacht, das Thema sexy darzustellen und weniger altbacken“, erklärt Meier, der selbst Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr ist. Wichtig bei der Umsetzung, die die Studenten ehrenamtlich vorangetrieben haben: Es muss authentisch sein. „Die Fotos auf den Plakaten zeigen echte Feuerwehrleute und keine gekauften Models“, so Meier.
Die Feuerwehrmänner- und Frauen sind ungeschminkt – bis auf ein wenig Puder. „Wir haben alle darauf hingewiesen, dass sie die Uniformen nicht extra putzen sollen.“ Die Ehrenamtlichen der Freiwilligen Feuerwehr sollen nahbar sein. Auf der Internetseite der Kampagne wird jede Person einzeln vorgestellt. Interessierte erfahren alles über den Menschen unter der Uniform. Daher heißt der Slogan „Deine Heimat. Deine Feuerwehr“.
Seit Ende 2021 läuft „Hundert12“ auf allen Kanälen. Auch auf den sozialen Netzwerken sind die Ehrenamtlichen präsent. „Wir bekommen von überall positive Rückmeldungen. Die Aktion kommt gut an“, berichtet Jürgen Segewitz stolz. Schon über 100 neue Feuerwehrmänner- und Frauen seien durch die neue Kampagne akquiriert worden. „Jeder ist bei uns willkommen“, betont der Vorsitzende des Kreisfeuerwehrverbands Rastatt.
„Bei einem Übungsdienst kann man zuschauen und wenn man dann feststellt, dass es einen anspricht, beginnt die Grundausbildung.“ Abends unter der Woche und am Wochenende werden die Neueinsteiger unterrichtet. „Wenn Sie jetzt mit der Ausbildung beginnen würden, wären Sie nach vier Monaten auf Ihrem ersten Einsatz“, sagt Segewitz. Damit „Retten, Löschen, Bergen, Schützen“ auch in Zukunft noch funktioniert.