Region (la) – Deutschland schläft schlecht – und die Baden-Württemberger haben besonders mit Schlafproblemen zu kämpfen . Zu diesem Ergebnis kommen sowohl eine Studie der KKH Krankenkasse als auch Schlafexperte Dr. Hans-Günter Weeß aus Landau. Eine Krise folgt der anderen, das wirkt sich auch negativ auf den Schlafrhythmus und die Schlafqualität der Menschen aus. Ob falsche Ernährung, die Einnahme von Medikamenten oder Sport am späten Abend – die Ursachen einer Schlafstörung sind fast genauso vielfältig wie die Folgen. Dabei kann man mit einfachen Tricks und Tipps dem schlechten Schlaf vorbeugen. Ein Abendspaziergang kann zum Beispiel schon helfen.
„Schlafstörung“ ist schnell gesagt, aber nicht jede schlaflose Nacht fällt unter deren Definition. „Zu nicht organisch bedingten Schlafstörungen zählen Einschlaf- und Durchschlafstörungen sowie Albträume und Angsttraumstörungen, wie sie unter hohen psychischen Belastungen entstehen können“, erklärt KKH-Ärztin Sonja Hermeneit. Schlafexperte Weeß ergänzt: „Wir sprechen dann von einer behandlungsbedürftigen Schlafstörung, wenn sowohl Einschränkungen im Schlafvermögen in der Nacht, als auch Einschränkungen am Tag vorliegen.“ Habe man morgens das Gefühl, nicht genug geschlafen zu haben und gleichzeitig das Problem, sich zu konzentrieren und aufmerksam zu bleiben, entspreche das dem Symptomschema der Störung. Tritt das mindestens drei Mal pro Woche auf und länger als vier Wochen, sollten sich Betroffene an Ärzte und Experten wenden.
Die Ursachen für eine Schlafstörung variieren von Person zu Person. Leidet man an einer körperlichen Erkrankung, die mit Schmerzen einhergeht, könnte hier „des Pudels Kern“ liegen. Auch die Einnahme von Medikamenten wirkt sich auf den menschlichen Schlaf aus. Abends ein Gläschen Wein kann den Schlafrhythmus genauso durcheinanderbringen wie Sport zu später Stunde. „Auf schwere Mahlzeiten auf die Nacht sollte man verzichten, wenn man ohnehin Probleme beim Ein- und Durchschlafen hat“, so Weeß. Aus der Sicht des Experten sei das größte Problem aber, „dass es den Betroffenen nicht gelingt, die kleinen und großen Sorgen vor der Schlafzimmertür zu lassen.“ Anspannung sei der Feind des Schlafes. Und wer sein Gedankenkarussell nicht stoppen kann, der liegt gestresst im Bett.
Die Krisen der Zeit stressen die Menschen. „Während der Pandemie gab es Schlafgewinner- und Verlierer“, betont Weeß. Je nach Studie haben Schlafstörungen während der Coronapandemie zwischen zehn bis fünfzig Prozent zugenommen. Das zunächst unbekannte Virus ließ die Menschen um ihre und um die Gesundheit von Angehörigen bangen. „Dazu kamen Homeoffice, Homeschooling, Angst um den Arbeitsplatz und vieles mehr“, so der Schlafexperte. Die Menschen konnten nicht mehr „abschalten“. Wie Daten der KKH Kaufmännische Krankenkasse hervorheben, stieg die Zahl der Diagnosen einer Schlafstörung von 2011 auf 2021 um mehr als 90 Prozent. Trotzdem habe es auch ein paar Gewinner gegeben. „Alle, die sich sicher und wohl gefühlt haben und nicht von Existenzsorgen geplagt wurden, haben eigentlich ganz gut schlafen können.“ Vom Schüler bis hin zum Berufstätigen, die Mehrheit der Gesellschaft musste sich während der Lockdowns nur aus dem Bett und an den Computer bewegen und konnte länger im Reich der Träume verweilen. „Die aktuelle Krise, der Angriff auf die Ukraine, das macht wieder mehr Menschen Sorgen“, betont Weeß. Zudem bescheren die steigenden Lebenshaltungskosten den Deutschen so manche schlaflose Nacht.
„Die meisten Studien deuten darauf hin, dass jeder zweite Deutsche nicht so viel schläft, wie es seinem genetischen Schlafbedürfnis entspricht“, so Weeß. Wer wieviel Schlaf benötigt, ist in der DNA des Menschen festgeschrieben und „jeder Mensch sollte so viel schlafen, wie seine Gene vorgebeben. Das ist sehr unterschiedlich. Bei den meisten Bundesdeutschen liegt dieses genetische Schlafbedürfnis zwischen sechs bis acht Stunden. Und diesen genetisch festgelegten Schlaftypus können wir nicht verändern.“ In Baden-Württemberg waren laut letzter Studien insgesamt rund 200.000 Menschen von einer Schlafstörung betroffen. Dadurch erhöhen sich zum Beispiel die Infektanfälligkeit sowie das Risiko für Depressionen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Der verlorengegangene Schlaf kann nämlich nicht wieder aufgeholt werden. Ein Irrtum, der immer noch weit verbreitet ist. „Schlaf ist das wichtigste Reparations- und Regenerationsprogramm des Körpers. Schlafen ist die beste Medizin und Krankheitsprävention. Das kann man auch nicht durch längeres Schlafen am Wochenenden kompensieren. Der körperliche Schaden hat bereits stattgefunden“, hebt Weeß hervor.
Von so einer Schlafstörung muss man sich nicht auf der Nase herumtanzen lassen. Mit einfachen Tipps kann die Problematik bekämpft werden. Sollte das aber langfristig nicht zum Erfolg führen, rät Weeß, einen Experten hinzuzuziehen. „Oft ist das ein therapeutischer Prozess, wo die Betroffenen wieder lernen müssen, sich zu entpflichten und abzuschalten.“ Neben Hörbüchern und Schlafritualen helfe gegen abendliches Grübeln im Bett auch, „sich einen Ort in der Wohnung zu suchen, an dem man nicht abgelenkt wird. Dort kann man dann seinen Gedanken nachgehen und Probleme durchdenken, damit im Bett nichts mehr zum Grübeln übrig ist“, so Weeß. Ein Abendspaziergang helfe auch. „Ganz wichtig: Wer schlafen will, bleibt wach. Mit so einer Einstellung kann man sich auf eine schlaflose Nacht einstellen. Denn dann denkt man viel zu viel nach“, so der Schlafexperte.