Corona-Patient berichtet über eigene Genesung und deckt Probleme der Gesundheitsämter auf

01. April 2020 , 08:48 Uhr

Karlsruhe/Mannheim (ct) Viele Menschen wollten einfach nur ein paar Tage in den Schnee flüchten, zum Skifahren oder etwas Spaß haben. Unwissentlich haben sie sich in den beliebtesten Skigebieten in Österreich dabei mit COVID-19 infiziert. Für viele von ihnen kam die Erkenntnis am Coronavirus erkrankt zu sein erst nach ihrer Rückkehr.

Skiwochenende in Ischgl

Hajo (Anm. d. Red.: der vollständige Name ist der neuen welle bekannt) ist Ende 50, kommt aus Mannheim und wollte mit seiner Freundin aus Heidelberg nur für ein verlängertes Skiwochenende ins österreichische Ischgl. Dass sich die beiden dabei mit dem Virus infiziert haben konnten sie zunächst nicht ahnen. Doch schon wenige Tage nach ihrer Rückkehr merkten beide, dass etwas mit ihnen nicht stimmt. Um Gewissheit zu haben und auch aus Fürsorge um ihr Umfeld wandten sich beide an das zuständige Gesundheitsamt. Beide wurden positiv auf das Virus getestet. Inzwischen sind sie vom Coronavirus vollständig genesen und haben ihre zweiwöchige Quarantäne hinter sich.

die neue welle hat mit Hajo gesprochen. Er hat berichtet wie er sich infiziert hat, wie seine Behandlung und Quarantäne verliefen und wie andere Menschen auf seine Infektion reagiert haben. Er macht Mut nicht zu verzweifeln und sich nicht vom Virus unterkriegen zu lassen. Aber er zeigt auch klare und deutliche Probleme seitens der Ämter auf, die es im Umgang mit dem Virus immer noch gibt und die nur Kopfschütteln verursachen.

Habt ihr einen konkreten Verdacht oder eine Vermutung, wo in Ischgl ihr euch infiziert haben könntet?

Hajo: „Das ist wirklich schwer zu sagen. Ich vermute, dass es beim Après Ski in einer der Après-Skibars war. Wir waren nur einmal in einer dieser Lokalitäten und dort war es ziemlich gedrängt und der ein oder andere Gast hat gesungen oder auch rumgehustet.“

Wann und wie habt ihr bemerkt, dass mit euch möglicherweise etwas nicht stimmt?

Hajo: „Wir sind Samstags dort abgereist. In der darauffolgenden Woche habe ich am Mittwoch Nachmittag die ersten Symptome bekommen. Eine große Abgeschlagenheit und ich war plötzlich total müde, habe mich eine Stunde hingelegt, danach war es wieder besser. Am Tag darauf hatte ich leichtes Kopfweh, leichten Schnupfen und zwischendurch auch etwas Husten aber nichts Gravierendes. Auf den Verdacht gekommen sind wir erst, als wir immer mehr von diesen Vorfällen aus Ischgl heraus gehört haben und sowohl meine Freundin als auch ich bei unseren Eltern waren, die Vorerkrankungen haben und ziemlich betagt sind. Das machte uns Sorgen. Wir sind daraufhin über das Gesundheitsamt zu einem Test gekommen.“

Habt ihr diesen Test schnell machen können?

Hajo: „Wir hatten sonntags beim Gesundheitsamt angerufen und auch noch am Abend dort vorbei schauen können. Allerdings war man dort unterbesetzt und der Andrang war schon zu groß. Wir sollten am nächsten Morgen wieder kommen, was wir dann auch getan haben. Wir waren um halb acht dort und angeblich wollte man um acht Uhr anfangen, was sich aber bis 08:30 Uhr hingezogen hat. Schlussendlich waren wir um 10 Uhr mit unserem Test fertig. Das war ein Abstrich wie man ihn aus der Presse kennt.“

Wie schnell hat man euch das Ergebnis mitgeteilt?

Hajo: „Nach dem Abstrich wurde uns gesagt, dass wir am nächsten Tag unter einer Hotline erfahren können wie unser Test ausgefallen ist. Wenn er positiv wäre, dann würden wir im Vorfeld schon vom Gesundheitsamt informiert werden. Das ist auch tatsächlich noch am selben Tag, also Montagsabends, erfolgt. Der Arzt, der mich von dort anrief hat sehr aufmunternd gesprochen und war auch schon fast lustig, indem er mich zu dem Test beglückwünscht hat. Er sagte auch, dass die Vorfälle, damals noch 62 Infizierte, allesamt mehr oder weniger die gleichen leichten Symptome haben.“

Der Test war also positiv. Was passierte dann?

Hajo: „Gesundheitlich kam es fast so, wie es prognostiziert worden war. Bei mir kam es zu den üblichen Erscheinungen. Auch zu einer die erst später richtig bekannt geworden ist, dem Verlust des Geschmacks- und Geruchsinns. Das hat sich bei mir fast über eine Woche hingezogen. Meine Freundin hatte trockenen Husten. Wir sind aber beide fieberfrei geblieben und hatten sonst keine weiteren Beschwerden. Ich hatte noch ein wenig Kopfweh, das hielt aber nur wenige Tage an und einen leichten trockenen Husten aber keine größeren Einschränkungen. Arbeitstechnisch wurde vom Gesundheitsamt angeordnet, dass wir beide 14 Tage in Quarantäne gehen. Geplant war, dass wir dann nach zehn Tagen zu einem Nachtest und nach weiteren vier Tagen zu einem weiteren Nachtest kommen sollten. Das wurde aber zwischenzeitig verworfen. Sobald du [Anmerk. d. Red.: nach der Quarantäne] symptomfrei bist oder fast symptomfrei, darfst du wieder in die Freiheit zurück. Allerdings gingen die Meinungen, was in dieser Zeit erlaubt ist und was nicht, stark auseinander. Für meine Freundin ist das Gesundheitsamt in Heidelberg zuständig, für mich das in Mannheim. Das Gesundheitsamt Mannheim hat mir schon den Freiraum gegeben auch mal vor die Tür zu gehen und Luft zu schnappen, natürlich immer mit dem entsprechenden Abstand. Das hat Heidelberg ganz anders gesehen.“

Wie können im gleichen Bundesland zwei Gesundheitsämter, die auch noch direkt nebeneinander liegen, keine einheitlichen Verhaltensregeln herausgeben?

Hajo: „Das würden wir ich auch gerne wissen! Es ist schon sensationell, zumal Mannheim sagte, ich könne jederzeit meine Freundin sehen, da wir beide positiv getestet sind. Heidelberg nahm davon Abstand und meinte, wir dürften uns in dieser Zeit überhaupt nicht sehen. Ein völliger Widerspruch und es macht auch gegenüber dem, was Virologen behaupten, keinen Sinn. Also Einigkeit sieht anders aus.“

Das klingt so als gäbe es zwischen den Gesundheitsämtern keine einheitliche Vorgehensweise und als würde jedes Amt das empfehlen, was es gerade für angemessen hält?

Hajo: „Es ist schlimm, dass hier die Kommunikation nicht einheitlich ist, was man sich in dem Fall wünschen würde. Zudem hat Heidelberg dann noch einen Brief an meine Freundin gesendet, was sie alles nicht machen darf, der sehr bedrohlich und wenig motivierend wirkte, um gesund zu werden. Ein Brief, der in meinen Augen völlig daneben ist und auch völlig über das Ziel hinaus schießt. Natürlich ist es wichtig Kontakte zu vermeiden und weit Abstand zu halten. Aber was da drin steht, das kann ich kurzen Worten nicht beschreiben, es ist einfach völlig daneben.“

Wie lange musstet ihr denn in Quarantäne bleiben?

Hajo: „Wir waren jetzt beide bis Montag in Quarantäne. Das heißt es waren in Summe vierzehn Tage vom Abstrich bis zum Ende. Wir waren in unseren Wohnungen getrennt aufgrund dessen, dass wir zwei Haushalte haben. Im Normalfall hätten wir auch zusammen bleiben können, wenn der Haushalt gemeinsam wäre. Das war er in diesem Fall nicht.“

Zwei Wochen lang zuhause. Wie hast du diese Zeit unter Quarantäne verbracht?

Hajo: „Eine sehr gute Freundin versorgte mich regelmäßig mit Einkäufen und damit war das Wesentliche geklärt. Ich habe keinen Lagerkoller bekommen, bin allerdings auch froh, dass ich seit Montag wieder selbst einkaufen gehen kann und wieder ein wenig unter die Menschheit komme, wenn auch noch mit Abstand. Krank geschrieben war ich nicht, habe trotzdem gearbeitet und hatte einige Telefonkonferenzen, auch mit Kunden verschiedene Telefongespräche und dergleichen. Insofern ging der Tag doch relativ schnell rum. Und ich konnte auch einige Dinge die zuhause liegen geblieben sind wunderbar abarbeiten. Ob das der Garten war, ob das meine Hobbies waren oder andere Dinge, die mir Spaß machen und einfach liegen geblieben sind und ich habe immer noch das ein oder andere vor mir. Insofern konnte ich über Langeweile nicht klagen. Aber es ist schon befremdlich, wenn man nicht groß vor die Tür kann. Das macht einem schon zu schaffen. Von meiner Freundin weiß ich nur, dass sie nicht arbeiten konnte. Bei ihr ist es so, dass sie sich weitaus mehr danach sehnte jetzt wieder zur Arbeit gehen zu können.“

Wie hat denn dein Umfeld auf die Nachricht reagiert, dass Du dich infiziert hast?

Hajo: „Im Nachhinein muss ich sagen, hatte ich noch mit sehr vielen Menschen auch engeren Kontakt gehabt, da ich erst sehr spät von dem Virus erfahren habe. Das waren Geschäftspartner und auch private Personen. Im Nahhinein ist keiner von diesen an Corona erkrankt. Sie sind alle bis heute symptomfrei. Die Menschen haben sehr positiv darauf reagiert. Auch die Geschäftspartner, mit denen ich noch in Kontakt war. Nachdem klar war, dass ich von all dem bis dato selbst noch Nichts wissen konnte, kam man mir mit sehr viel Verständnis entgegen. In vielen Telefonaten konnte ich viele Unwahrheiten aufklären, indem ich an diese Leute die Informationen weiter gegeben habe, die ich von den Ärzten bekommen habe. Das hat Einigen geholfen nicht mehr so ängstlich zu sein oder schon panisch zu werden dieses Virus zu bekommen. Ich habe ihnen einfach erzählt wie es ist und wie es einem dabei ergeht, was ja auch die ganzen Virologen, die man regelmäßig zu hören bekommt, sagen. Die Wenigsten wussten was es bedeutet COVID-19 zu bekommen. Viele gingen gleich davon aus, dass sie schwer krank werden oder gleich mit dem Tod kämpfen müssten. Aber das ist faktisch falsch. Im Großteil aller Fälle verläuft dieses Virus sehr milde, um es mal so auszudrücken. Dafür waren mir viele dankbar. Allerdings musste ich immer wieder darauf hinweisen, dass nur jene Menschen zu einem Test gehen sollten, die Symptome haben oder aus einem Risikogebiet gekommen sind und jetzt Symptome haben. Nicht jeder, den es im Hals kratzt oder der gerade nießt, muss sich auf Corona testen lassen. Damit würde genau das Falsche passieren, dass die Menschen die dringend zum Test müssen nur blockiert werden.“

Welchen Rat oder Tipp würdest du anderen Inifzierten geben?

Hajo: „Denen, die selbst zuhause sitzen und in Quarantäne oder der Anfangsphase sind und nicht allzu schwere Symptome haben, kann ich nur sagen: es geht langsam aufwärts. Man kommt nach vierzehn Tagen an den Punkt an dem man symptomfrei wird. Allen anderen kann ich nur den Ratschlag geben keine Panik zu bekommen. Regelmäßig die Hände zu waschen, das ist das Allerwichtigste, und Abstand halten, dann kann eigentlich wenig passieren. Wenn es einen dann doch trifft, dann ist es halt so. Bitte zuhause bleiben, auf sich achten ob es schlimmer wird. Bekommt man Fieber, sehr schwere Atemnot oder extremen Husten der dauerhaft anhält, dann ist Eile geboten. Das habe ich bis jetzt aber in meinem Umfeld oder von denen, mit denen ich bisher gesprochen habe noch nicht gehört, ausgenommen Ältere oder jene mit Vorerkrankungen.“

Hast Du aus dieser Infektion für Dich etwas mitnehmen und behalten können, im Positiven wie im Negativen?

Hajo: „Im Positiven würde ich auf jeden Fall sagen, dass es eine stressfreie Zeit war, eine entschleunigte Zeit, die einfach mal wieder Zeit für andere Dinge ergeben hat. Man genoss das Zuhause mehr und eine ständige Hektik und Unruhe oder eine größere Liste von To-Dos stand einfach mal Hinten an. Man hat Zeit für Gedanken und auch für die Dinge, die in der Zukunft wieder möglich sein werden. Im Negativen beschäftigen mich eher die wirtschaftlichen Auswirkungen und wann wir wieder in den Alltag zurückkehren werden, damit auch das soziale Leben wieder stattfinden kann. Aber man soll auch wertschätzen was man am freien und sozialen Leben bis dato gehabt hat. Man sieht ja gerade wie schnell alles anders sein kann und dann so scheint, als ob die Welt kurzzeitig stehen geblieben sei.“

Welchen Wunsch hättest Du?

Hajo: „Ich wünsche allen, dass alle Menschen da draußen gesund bleiben und wir schnellstmöglich diese Krise hinter uns bringen. Aber achtet bitte alle vorwiegend auf die älteren Menschen und auf die mit Vorerkrankungen. Jetzt geht es darum, dass wir alle näher zusammenrücken und unsere Gemeinschaft zu stärken, dass wir gemeinsam stark in die Zukunft starten.“

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