Stuttgart/Berlin (dpa/lk) – Bund und Länder haben sich bei ihren Corona-Beratungen auf flächendeckende Zugangsbeschränkungen im öffentlichen Leben für nicht geimpfte Menschen geeinigt. Außerdem wollen die Länder Beschäftigte unter anderem in Krankenhäusern und Pflegeheimen zur Corona-Impfung verpflichten. An der Bund-Länder-Videokonferenz am Donnerstag nahmen neben den Regierungschefs der Länder und Kanzlerin Angela Merkel auch der SPD-Kanzlerkandidat und Bundesfinanzminister Olaf Scholz teil, daneben weitere geschäftsführende Bundesminister.
Bei Überschreiten bestimmter Belastungsschwellen in den Kliniken sollen nach dem Willen von Bund und Ländern einheitlich schärfere Corona-Maßnahmen greifen. Die geschäftsführende Kanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten vereinbarten dafür drei Stufen mit jeweils weitergehenden Beschränkungen, wie Merkel im Anschluss sagte. Orientierungsgröße soll die für das jeweilige Bundesland ausgewiesene Hospitalisierungsrate sein. Dafür erfasst das Robert Koch-Institut gemeldete Krankenhausaufnahmen von Corona-Patienten pro 100.000 Einwohner in einem Sieben-Tage-Zeitraum.
Konkret sollen die Länder bei Überschreiten eines Schwellenwertes von 3 flächendeckende Zugangsregeln nur für Geimpfte und Genesene (2G) etwa zu Freizeit-, Kultur- und Sportveranstaltungen, Gastronomie sowie zu körpernahen Dienstleistungen und Beherbergungen einführen – sofern nicht schon geschehen. Wenn der Schwellenwert an fünf Tagen in Folge unterschritten wird, kann laut der Vorlage von den 2G-Regelungen wieder abgesehen werden. Ausnahmen von der 2G-Regel sind für Kinder und Jugendliche unter 18 möglich.
Bei Überschreiten eines Werts von 6 sollen die Länder darüber hinausgehend in bestimmten Einrichtungen auch für Geimpfte und Genesene zusätzlich Testnachweise oder andere Maßnahmen vorschreiben. Dann soll die sogenannte 2G-plus-Regel gelten. An Orten mir besonders hohem Infektionsrisiko – etwa Diskotheken, Clubs oder Bars – sollen Geimpfte und Genesene demnach zusätzlich einen aktuellen Corona-Test vorzeigen müssen, ergibt sich aus den nach Teilnehmerangaben vereinbarten Punkten der Vorlage. Spätestens bei Überschreiten des Schwellenwerts von 9 sollen die Länder dann von weitergehenden Beschränkungen Gebrauch machen. Dies zielt auf eine vom Bundestag beschlossene Klausel: Nach einem entsprechenden Landtagsbeschluss sollen die Länder auch härtere Maßnahmen wie Kontaktbeschränkungen oder Einschränkungen und Verbote von Veranstaltungen verhängen können.
Außerdem wollen die Länder die Kontrolldichte bei Corona-Schutzmaßnahmen erhöhen. In einer Beschlussvorlage hieß es, Schutzmaßnahmen könnten nur dann ihre volle Wirkung entfalten, wenn sie verlässlich eingehalten werden. Dies erfordere eine strikte Kontrolle, etwa von Impf-, Genesenen- oder Testnachweisen, bei entsprechenden Zugangsbeschränkungen. In der Verantwortung stünden Veranstalter und die Betreiber von Einrichtungen.
Desweiteren wollen die Länder wollen Beschäftigte unter anderem in Krankenhäusern und Pflegeheimen zur Corona-Impfung verpflichten. Die Pflicht soll bei Kontakt zu besonders gefährdeten Personen gelten, sozusagen „einrichtungsbezogen“ für Personal in Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen und bei mobilen Pflegediensten. Auch Personal von Einrichtungen der Eingliederungshilfe soll unter die Impfpflicht fallen. Die Länder bitten den Bund, die Impfpflicht „schnellstmöglich umzusetzen“.
Angesichts ihrer Belastung in der Pandemie sollen Pflegekräfte erneut eine finanzielle Anerkennung bekommen. Bund und Länder einigten sich auf einen Pflegebonus für Pflegekräfte vor allem in der Intensivpflege, wie Kanzlerin Angela Merkel am Donnerstag nach Beratungen in Berlin sagte. In einer Vorlage hieß es, mit der erneuten Leistung eines Pflegebonus solle die Anerkennung des Einsatzes in der aktuell sehr herausfordernden Situation unterstrichen werden. Weiter hieß es: „Die Länder bitten den Bund, die hierfür erforderlichen Finanzmittel bereitzustellen.“
Darüber hinaus bekommen in der Corona-Krise besonders belastete Unternehmen länger Wirtschaftshilfen. Der Bund verlängert die bisher bis Jahresende befristete Überbrückungshilfe III Plus bis Ende März 2022, wie aus dem Beschlusspapier hervorgeht. Verlängert werden soll auch die Neustarthilfe für Solo-Selbständige. Ein Sonderfonds für Kulturschaffende soll „flexibilisiert“ werden. „Wir sind in einer sehr ernsten Situation“, sagte Merkel. „Es ist wirklich absolute Zeit zum Handeln.“
Am Vormittag hatte der Bundestag bereits die von SPD, Grünen und FDP geplanten Corona-Neuregelungen beschlossen. Der Bundesrat muss noch zustimmen, die Union droht aber mit Ablehnung. Vorgesehen sind neben der Ausweitung von Maßnahmen am Arbeitsplatz, in Verkehrsmitteln oder Pflegeheimen auf der anderen Seite, dass besonders scharfe Maßnahmen, wie Schul- oder Geschäftsschließungen nicht mehr möglich sein sollen. Die Pläne von SPD, Grünen und FDP sollen eine andere Rechtsgrundlage für Corona-Auflagen schaffen, wenn die bisher vom Bundestag festgestellte epidemische Lage am 25. November ausläuft. Die Ampel-Parteien haben sich dagegen entschieden, sie erneut im Bundestag zu verlängern.