Ärgernis E-Scooter - Karlsruhe plant verbindliche Qualitätsstandards

29. November 2022 , 04:00 Uhr

Region (la) – Sie finden sich zu hunderten in Flüssen, in Altkleidercontainern und als Stolperstein direkt vor der eigenen Haustür. Meistens treten sie in Rudeln auf und stehen dann nahezu den gesamten Tag passiv in Innenstädten herum. Nur selten müssen sie an die Arbeit: Dann sollen sie zur Verkehrswende beitragen. 2019 wurden die ersten E-Scooter Leihsysteme in Deutschland eingeführt. Schon damals diskutierte die Nation über Sinn und Zweck der elektrisch betriebenen Roller. Drei Jahre später ist die Bilanz gemischt.

Unfälle nehmen zu

„2019 hat die Unfallstatistik in Karlsruhe keinen einzigen Unfall mit E-Scootern verzeichnet“, berichtet Daniel Günter. Er ist bei der Polizei Karlsruhe der Referent für den Sachbereich Verkehr. „2020 waren es dann schon dreißig und im Jahr darauf doppelt so viele.“ Die Statistik deute auch dieses Jahr auf eine weiterhin steigende Unfalltendenz hin. Die steigenden Zahlen lassen sich unter anderem auf eine erhöhte Marktdurchdringung zurückführen. Auch das Nutzungsverhalten habe sich verändert, so Günter. Der typischste Unfall mit dem E-Scooter ist dabei das verbotswidrige Fahren auf dem Gehweg. Das Resultat: Es kommt zum Konflikt mit Fußgängern oder geparkten Fahrrädern. Vielen sei gar nicht bewusst, dass sie das nicht dürfen, kritisiert der Polizist. Alle „Auf-dem-Gehweg-Fahrer“ erwartet aber nur ein kleines Bußgeld. Gleiches gilt für zwei Personen, die sich aus Kostengründen einen Scooter teilen. Teurer wird es bei Vorfahrtsverstößen. „Das geht schon auch mal in den punktebewährten Bereich.“ Ein weiterer Trugschluss: Nach dem Clubbesuch ist der E-Scooter keine Alternative, um nach Hause zu kommen. Es gilt die gleiche Promillegrenze wie beim Auto. Im schlimmsten Fall führt ein Verstoß zum Führerscheinentzug.

Plädoyer für Helmpflicht

ADAC und Polizei appellieren seit Einführung der E-Scooter an die Politik, eine Helmpflicht einzuführen. Daniel Günter hat schon so manchen E-Scooter-Unfall miterlebt und aufgenommen. „Durch das besondere Fahrverhalten bei den E-Scootern, dem geringen Reifendurchmesser und den hohen Schwerpunkt kommt es besonders häufig zu Stürzen über den Lenker. Die gehen dann mit Gesichts- und Kopfverletzungen einher. Da wäre ein Helm sicherlich sinnvoll gewesen.“

Herausforderung für mobilitätseingeschränkte Personen

Vor einem Jahr wurden in Köln 500 E-Scooter auf dem Grund des Rheins gefunden. Auch sonst prägen die Scooter seit ihrer Einführung das Bild der deutschen Städte. Dabei handelt es sich um ein vom Gesetzgeber ausgelöstes Problem: „Es ist ein bisschen dem Gesetz geschuldet, dass die E-Scooter überall herumliegen. Der Bundesgesetzgeber hat beschlossen, dass E-Scooter wie das Fahrrad auf dem Gehweg abgestellt werden dürfen. Ansonsten sind sie zu behandeln wie ein Fahrzeug. Damit stellen sie eine Gefahr dar, vor allem für mobilitätseingeschränkte Personen“, so Birke Bronner. Sie arbeitet beim Stadtplanungsamt Karlsruhe. Ein Fahrrad ist für Sehbehinderte wesentlich besser wahrnehmbar als ein Scooter. „Und wenn der Roller dann noch liegt, dann ist es ganz vorbei. Dann ist die Gefahr groß, dass, wenn ich eine Sehbehinderung habe, ich über diesen Roller stolpere. Das geht so nicht“, kritisiert Bronner.

Kampf gegen das Chaos

Karlsruhe hat sich mit den Verleihfirmen der Scooter an einen Tisch gesetzt und einheitliche Qualitätsstandards erarbeitet. Die beziehen sich auch auf das Abstellen der Roller. Ein verbindliches Foto soll in Zukunft das ordnungsgemäße Abstellen dokumentieren. Die Nutzer sollen die E-Scooter so parken, dass immer noch 1,6 Meter des Gehwegs zur Nutzung zur Verfügung stehen. Auf Verstöße werden Verwarnungen mit Verwarnungsgeld folgen.

Trägt der E-Scooter zur Verkehrswende bei?

Jein. Darin sind sich Polizei, Stadtplanungsamt Karlsruhe und Bundesumweltamt einig. Das Bundesumweltamt betont vor allem die vielen Ressourcen und Rohstoffe, die für die Herstellung der E-Scooter benötigt werden. Das spielt eine große Rolle bei der generellen Umweltbilanz der Roller. Auch die Lebensdauer und die Recyclingfähigkeit beantworten letztlich die Frage, inwiefern der E-Scooter zur Verkehrswende beitragen kann. „Von einem Beitrag zur Verkehrswende kann man erst reden, wenn Autofahrten ersetzt werden, die ohne den E-Scooter gar nicht stattgefunden hätten“, so Alex Strobelt vom Bundesumweltamt. Studien kommen zu dem Ergebnis, dass 43 Prozent der Fahrten mit einem E-Scooter Zusatzfahrten sind. So ganz ohne die Scooter geht es aber auch nicht mehr, findet Birke Bronner vom Stadtplanungsamt: „Die ersten Studien, die wir hier in Deutschland und Europa haben, zeigen, dass der E-Scooter vor allem Fußwege ersetzt. Nichtsdestotrotz sind sie in Zeiten, in denen der ÖPNV nicht gut besetzt ist, also nachts, eine echte Unterstützung.“

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