Stuttgart (pm/tk) – Der Ausbruch der Vogelgrippe überschattet den spektakulären Zug zehntausender Kraniche über Deutschland auf dem Weg in den Süden. Im Oktober wurden mehr als zwei Dutzend kleinere Kranichtrupps aus allen Teilen Baden-Württembergs gemeldet.
Die ersten geschwächten Vögel wurden Mitte Oktober in Brandenburg gemeldet, seitdem sind mehr als 1.000 Tiere gestorben. Kraniche brüten mit etwa 8.000 Paaren vor allem in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein in dortigen Bruchwäldern und Mooren. Der Ausbruch fällt auf den Höhepunkt des Herbstzuges, mit den größten Ansammlungen von Kranichen in den Rastgebieten. Dabei wird der für Vögel hochansteckende und tödliche Virus weiterverbreitet. Neben Kranichen sind vor allem Wasservögel, wie Gänse, Enten und Schwäne, von der Vogelgrippe betroffen, weil sie sich ebenfalls in großen Gruppen sammeln. In Baden-Württemberg rasten im Herbst viele Wasservögel an großen Seen wie Bodensee und Federsee, aber auch in Flusstälern. „Noch gibt es hier keinen Vogelgrippe-Nachweis bei Kranichen“, so Stefan Bosch, NABU-Fachbeauftragter für Vogelschutz. „Es ist aber nicht unwahrscheinlich, dass bald erste Fälle gemeldet werden.“
Viele Kraniche folgen zwei klassischen Routen: Im Oktober und November fliegen sie von Skandinavien in ihre Überwinterungsgebiete in Südwesteuropa und Nordafrika. Die südlichere Zugstraße führt sie von der Ostsee über Thüringen, Hessen und Rheinland-Pfalz nach Frankreich und Spanien. Immer öfter überfliegen die majestätischen Vögel auf einer Nebenstrecke von Osteuropa kommend Baden-Württemberg. Ihre trompetenden Rufen konnte man bereits entlang des Neckars in den Landkreisen Göppingen, Esslingen und Stuttgart hören. Mit etwas Glück lassen sich tagsüber die in V-Formationen fliegenden Vögel mit zwei Metern Flügelspannweite noch bis Anfang November am Himmel erspähen.
Aufgrund des Vogelgrippe-Ausbruchs in den nördlichen Bundesländern bittet der NABU um besondere Vorsicht: „Lassen Sie Hunde nicht frei laufen, besonders nicht in Gebieten, in denen Kraniche oder andere Wildvögel rasten. Aufgeschreckte Tiere weichen auf andere Gebiete aus und tragen das Virus weiter“, sagt NABU-Ornithologe Stefan Bosch. Das Risiko, dass sich das eigene Haustier ansteckt, ist zwar gering, doch in einigen Fällen konnte das Virus auch bei Säugetieren nachgewiesen werden. Tote oder offensichtlich erkrankte Vögel sollte man schnellstens dem zuständigen Veterinäramt des Landratsamts melden. Denn damit Aasfresser den Virus nicht aufnehmen und verbreiten können, müssen die Tiere eingesammelt werden.
Die Vogelgrippe bleibt eine ernste Bedrohung für Wildvögel und stellt auch für Geflügelbestände ein erhebliches Risiko dar. Wer achtsam handelt und Verdachtsfälle meldet, hilft dabei, eine weitere Ausbreitung einzudämmen.