Walldorf (dpa) – Radikale Maßnahme für den Vogelschutz: Viele Bewohner der Stadt Walldorf im Rhein-Neckar-Kreis müssen ihre Hauskatzen ab sofort den ganzen Sommer über einsperren.
Um die vom Aussterben bedrohte Haubenlerche zu schützen, hat das Landratsamt eine entsprechende Allgemeinverfügung erlassen. Demnach dürfen Hauskatzen im südlichen Teil der Stadt bis Ende August 2022 sowie die nächsten drei Jahre jeweils von April bis August nicht mehr vor die Tür. Für den Fortbestand der Art komme es „auf das Überleben jedes einzelnen Jungvogels“ an, teilte der Landkreis mit.
Wer seine Katze trotzdem alleine ins Freie lässt, muss eine Strafe in Höhe von 500 Euro zahlen. Deutlich tiefer in die Tasche greifen müssen die Besitzer, wenn ihre Vierbeiner auch noch eine Haubenlerche oder ihre Jungvögel verletzt oder gar tötet. Die Strafe liegt in diesem Fall bei bis zu 50.000 Euro. An der Leine dürfen die Katzen zusammen mit ihren Herrchen draußen aber noch ihre Runde laufen. Die Allgemeinverfügung ist auf der Homepage des Rhein-Neckar-Kreises zu finden.
Kritiker halten diese Lösungen für schwer umsetzbar. Die Allgemeinverfügung sei absolut realitätsfern, erklärte der Landestierschutzverband. Der Deutsche Tierschutzbund nannte die Regelung unverhältnismäßig. Der Rückgang von Arten wie der Haubenlerche und vieler anderer Vogelarten sei in erster Linie auf den Verlust von Lebensräumen und Nahrung zurückzuführen – unter anderem durch die Intensivierung der Landwirtschaft, die Bebauung von Brachflächen sowie das Insektensterben. „Der negative Einfluss von Katzen auf die Bestände von Singvögeln ist ohnehin umstritten und für die Haubenlerche in Walldorf nach unserer Kenntnis bisher nicht bewiesen.“
Der Naturschutzbund verteidigte die Entscheidung des Landratsamts. Grundsätzlich müsse sich in der Landwirtschaft etwas ändern, damit Agrarvögel wie die Haubenlerche, aber auch der Kiebitz und die Feldlerche, eine Zukunft haben. „Denn Feld- und Wiesenbrüter zählen zu den am stärksten gefährdeten Vogelarten im Land.“ Dass die Haubenlerche bei uns großflächig ausgestorben sei, liege nicht an der Hauskatze – sie ist ein zusätzlicher negativer Faktor.
Eine praktische rechtliche Umsetzung einer Begrenzung des Freilaufs von Hauskatzen wird aus Sicht des Stuttgarter Agrarministeriums kaum praktikabel sein. Es verwies auf eine ähnliche Fragestellung und Entscheidung des Petitionsausschusses des Bundestages vom Februar. Demnach sei es aus Tierschutzgründen unzumutbar, Hauskatzen jeglichen Freilauf zu verbieten. Auch sei es mit dem Wesen von Katzen unvereinbar, sie beim Freilauf an der Leine zu halten. Zudem sei es ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Rechte von Tierhaltern, wenn diese ihre Gärten vollständig umzäunen müssten, um ein Entkommen der Katzen zu verhindern, oder wenn die Anschaffung von Hauskatzen schlechthin verboten wäre.
Der Tierschutzverein Wiesloch/Walldorf kündigte an, sich juristisch gegen die Allgemeinverfügung wehren zu wollen, wie die „Rhein-Neckar-Zeitung“ am Mittwoch berichtete. „Bewahren Sie bitte Ruhe“, richtete sich der Vereinsvorsitzende Volker Stutz dem Blatt zufolge an die Katzenhalter. „Ich versichere Ihnen, dass wir unser Bestes geben, um diese unverhältnismäßige Maßnahme zu stoppen.“