Stuttgart (dpa/dk) – Rund um das Großprojekt Stuttgart 21 wird es weiterhin nicht ruhig. Wenige Monate vor der zuletzt angekündigten Teileröffnung deutet nun vieles darauf hin, dass auch dieses Datum nicht zu halten ist. Für Fahrgäste bedeutet das: Der neue Tiefbahnhof bleibt vorerst weiterhin außer Reichweite.
Wann die ersten Fahrgäste am Tiefbahnhof Stuttgart 21 ein- und aussteigen werden, ist wieder völlig offen. Die für Ende 2026 geplante Teileröffnung ist wohl vom Tisch. Alle Züge sollen demnach auch 2027 ausschließlich im oberirdischen Hauptbahnhof halten. Mehrere Medien hatten zuvor berichtet.
Die Deutsche Bahn teilte mit, sie habe den Aufsichtsrat im September und den Lenkungskreis im Oktober darüber informiert, dass für das Bauvorhaben inklusive des Digitalen Knotens Stuttgart weiterhin Terminrisiken bestünden. Diese hätten sich insbesondere im Bereich Entwicklung und Zulassung beim Auftragnehmer sowie bei der Freigabe von Planungen ergeben.
Diese Risiken hätten sich weiter erhärtet. Eine endgültige Entscheidung sei aber noch nicht getroffen; das Thema solle im Aufsichtsrat am 10. Dezember besprochen werden.
Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur sind technische Probleme bei der Digitalisierung und beim Bau des Bahnhofs Grund für die erneute Verschiebung. Im Juli hatte die Bahn noch die teilweise Inbetriebnahme für Dezember 2026 angekündigt.
Geplant war, dass Fernverkehr und Teile des Regionalverkehrs den neuen Tiefbahnhof nutzen, während ein weiterer Teil bis Juli 2027 weiterhin im alten Kopfbahnhof endet.
Der Fahrgastverband Pro Bahn bezeichnet die erneute Verschiebung als „Riesen-Blamage“. Auch der Verkehrsclub Deutschland (VCD) fordert, dass künftige Planungen realistische Zeitpuffer berücksichtigen und der bestehende Kopfbahnhof noch mehrere Jahre in Betrieb bleiben müsse.
Gebaut wird an Stuttgart 21 bereits seit 2010. Die Inbetriebnahme wurde mehrfach verschoben – ursprünglich sollte der Tiefbahnhof 2019 eröffnet werden.
Zu den Gründen für die bisherigen Verschiebungen zählen laut Bahn Klagen gegen das Projekt, geänderte Brandschutzauflagen, der geologisch anspruchsvolle Untergrund in Stuttgart sowie aufwendige Genehmigungsverfahren durch geänderte Artenschutzgesetze.
Stuttgart 21 umfasst nicht nur den Bau des neuen Tiefbahnhofs, sondern die komplette Neuordnung des Bahnknotens. Neue Bahnhöfe – darunter ein Fernbahnhof am Flughafen –, Tunnel, Brücken und Dutzende Kilometer Schienenwege entstehen im Rahmen des Projekts.
Das Bahnprojekt Stuttgart–Ulm beinhaltet zudem die Neubau-Schnellfahrstrecke Wendlingen–Ulm, die bereits 2022 eröffnet wurde. Herzstück bleibt jedoch der neue unterirdische Durchgangsbahnhof.
Der Stuttgarter Bahnknoten wird als erster bundesweit vollständig digitalisiert. Fern-, Regional- und S-Bahnen sollen künftig ausschließlich mit dem digitalen Zugsicherungssystem ETCS fahren. Klassische Lichtsignale werden nicht mehr verbaut.
In Sitzungsunterlagen heißt es, die Arbeiten seien weiterhin angespannt. Die Digitalisierung wurde bereits als Grund für frühere Verzögerungen genannt.
Die Kosten für Stuttgart 21 haben sich über die Jahre massiv erhöht. Ursprünglich waren in der Finanzierungsvereinbarung von 2009 maximal rund 4,5 Milliarden Euro vorgesehen.
Zuletzt bezifferte die Bahn die Kosten auf rund 11,3 Milliarden Euro. Ein eingeplanter Puffer von 500 Millionen Euro ist fast vollständig ausgeschöpft.
Im August entschied der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, dass die Bahn die Mehrkosten allein tragen muss.