Baden-Baden (pm/dk) – Die Stadt Baden-Baden steht vor der Zahlungsunfähigkeit – es war ein Paukenschlag, als das vor wenigen Wochen feststand. Die Bäderstadt ist mitten in einer finanziellen Notlage. Für den Präsident des Städtetags Baden-Württemberg Frank Mentrup, der auch Oberbürgermeister in Karlsruhe ist, ist das Land schuld an der Misere. Wir haben mit ihm gesprochen – dabei schlägt er versöhnliche Töne an.
Baden, Baden hat einen genehmigten Haushalt. Das heißt, das Regierungspräsidium hat gesagt, diese Haushaltsplanung für das Jahr ist in Ordnung. Und jetzt kamen aber drei Effekte zusammen, die diesen Haushalt so einschränken, dass in schon zwei Monaten der Baden Badener OB gar kein Geld hätte, um seine Mitarbeiter zu bezahlen.
Das hat etwas damit zu tun, dass die Ausgaben nach dem sogenannten Bundesteilhabegesetz exponentiell angestiegen sind. Es gab auf der Einnahmeseite einen Gewerbesteuereinbruch. Und es gibt nach wie vor gerade in Baden Baden ganz starke und hohe Flüchtlingskosten, vor allem für die Ukrainerinnen und Ukrainer, die nicht zügig genug von den höheren politischen Ebenen erstattet worden sind. Und alles drei führt dazu, dass der Kreditrahmen jetzt bald ausgeschöpft ist und dann die Stadt kein Geld mehr hat, um im Grunde noch weiter aktiv zu sein.
Ja, theoretisch bedeutet das, dass man zum Beispiel keine Gehälter mehr zahlen könnte. Oder keine Rechnungen begleichen. In der Realität können Städte eigentlich nicht insolvent oder werden oder handlungsunfähig sein, sondern dann müsste im Grunde aus unserer Überzeugung heraus das Land einspringen. Um so irritierter waren wir bisher, dass das Land sich öffentlich zu dieser Verantwortung nicht bekennt, sondern eben sagt – Na ja, da sollen halt mal Regierungspräsidium und Stadt über Sparkonzepte reden. Das ist natürlich absolut notwendig und auch richtig. Nur es ist, glaube ich, ganz wichtig, kurzfristig sicherzustellen, dass die Stadt zahlungsfähig bleibt. Denn wenn Sie heute ein Sparkonzept beschließen, können Sie deswegen nicht gleich übernächsten Monat und den Monat drauf und noch mal einen Monat drauf vier bis fünf Millionen Euro an Liquidität bereitstellen. Es wird einen langen Zeitraum geben, in dem man über zusätzliche Kredite die Stadt handlungsfähig lassen muss, bis dann das Sparkonzept so greift, dass es auch von der Einnahmeseite wieder funktioniert.
In Baden-Württemberg ist das ein ziemlich einmaliger Vorgang. Das gab es vor vielen Jahren mal in einer kleineren Gemeinde. In anderen Bundesländern ist das schon teilweise seit Jahrzehnten eine gewisse reale Situation, die dann immer wieder über zusätzliche Kredite für das laufende Geschäft, sogenannten Kassenkredite, aufgefangen werden muss. Und ich glaube, dass deswegen auch gerade die Landespolitik sich im Moment so schwer tut zu wissen, wie man jetzt damit richtig umgeht.
Und ich erwarte, dass in absehbarer Zeit auch der nächste Landkreis oder auch ein Stadtkreis oder eine kleine Gemeinde an diesen Punkt kommt. Die Hinweise verdichten sich, weil die Rücklagen sind aufgebraucht. Die Kosten steigen aber weiter, teilweise auch unkontrollierbar. Und die Einnahmeseite, gerade durch die schwache Konjunktur läuft in der anderen Richtung. Und deswegen ist es wahrscheinlich, dass das Baden Baden jetzt nur die Spitze des Eisbergs ist, aber immer mehr von dem Eisberg auch auftaucht.
Ich habe dem Land nicht vorgeworfen, dass es alleine für die Lage verantwortlich ist. Das hat vor allem auch sehr viel mit Bundesgesetzgebung zu tun und mit nicht ausreichend durchfinanzierten neuen Aufgaben, die Bund und Land auf uns abgewälzt haben. Die Schuld habe ich dem Land insofern gegeben für den Umstand, dass man hier auf den Hilferuf aus Baden Baden, wie ich finde, nicht ausreichend durch ein offenes und ehrliches Angebot reagiert hat.[…] Mittlerweile kommt aber da ganz gut Bewegung in die Situation und in absehbarer Zeit werden sich jetzt, und das war ja immer meine Forderung, Bundesinnenminister, Landesinnenminister, Landesfinanzminister, die Staatskanzlei und die kommunalen Landesverbände zusammensetzen und neue Regelwerke besprechen, wie man mit solchen Situationen umzugehen hat, unabhängig von der Einzelsituation Baden-Baden.
Das kann ich nicht erkennen. Und der Haushalt von Baden-Baden ist ja auch genehmigt worden. Der ist ja nicht einfach blauäugig irgendwo hingeschrieben. Und von daher finde ich diesen Vorwurf falsch. Was Baden-Baden vielleicht hätte machen können – Früher ein Sparkonzept vorlegen, weil das ist natürlich schon ein Stück weit auch Teil der Vereinbarung. Man muss eine Sparkonzeption vorlegen, die aufzeigt, dass man wieder in akzeptablere finanzielle Situationen kommt. Aber gleichzeitig brauchen wir auch als Kommunen das klare Signal des Landes, dass man uns am Ende nicht alleinlassen wird.
Ja. Herr Kretschmann hat mich ermahnt, ohne unsere Situation aus meiner Sicht angemessen zu kennen, und hat hier seinen Minister verteidigt. Das ist auch in Ordnung. Beim Minister selber habe ich meinen Vorwurf des Totalausfall zurückgenommen, weil ich auch durchaus merke, wie sehr ihn das getroffen hat. Und wir müssen hier weiter gemeinsam an Lösungen arbeiten und die persönlichen Befindlichkeiten rausnehmen. Und so glaube ich, sollten wir nicht mehr über das reden, was es da an Pulverdampf in der Öffentlichkeit gab, sondern wir brauchen jetzt ganz schnell klare Haltungen und auch Signale, damit die kommunale Seite weiß, dass sie sich aufs Land hier in gemeinsamer Verantwortung verlassen kann. Das ist im Übrigen auch deswegen wichtig, weil die Kommunen, vor allem auch die, die in Notlage kommen, auf zusätzliche Kredite angewiesen sind. Und wenn die Banken, die die Wahrnehmung hätten, das Land ist am Ende gar nicht mehr für die Finanzen der Kommune mitverantwortlich. Wer will uns denn da noch überhaupt Kredite geben? Und dann wird es langsam echt eine ganz gefährliche und teuflische Lage.
Wir müssen noch mal über eine Neuverteilung der Finanzausstattung der Kommunen reden. Das ist etwas, das man vor allem mit dem Bund besprechen muss. Wir haben ja etwa 14 % der Steuereinnahmen, wenn ich mal alle Steuereinnahmen zusammenfasse. Aber wir müssen 25 % der öffentlichen Ausgaben finanzieren, wenn ich die alle zusammenfasse. Und dann merkt man ja schon, dass im System was grundsätzlich nicht stimmt.
Das Zweite, was wir brauchen, ist für Themen, in denen wir eigentlich nur eine Teilverantwortung haben, wo uns die Kosten davonlaufen, eine stärkere Beteiligung aus Landes und Bundesmittel. Ich will drei Beispiele nehmen dieses Bundesteilhabegesetz, dann das Thema Krankenhausfinanzierung und auch das Thema öffentlicher Personennahverkehr. Die drei Themen schnüren uns langsam wirklich den Hals zu.
Und der dritte Punkt ist im Falle einer Stadt, die wirklich nicht mehr zahlungsfähig ist, brauchen wir die. Also das Lupfen des Kreditrahmens, so dass man über zusätzliche Kredite in Vereinbarung mit dem Regierungspräsidium und dem Innenministerium diese Notlage durchschreiten kann, verbunden mit einem harten Einsparkonzept, so dass das irgendwann aus eigener Kraft auch wieder möglich ist.
Ja, wir in Karlsruhe. Abseits dessen, dass wir eben nicht zahlungsunfähig sind und auch nicht werden wollen, müssen die vorgesehenen Ausgaben für das nächste Jahr, also für den Haushalt 2026, noch mal um 80 Millionen reduzieren.
Und das wird nur gehen, indem wir auf viele Leistungen in Zukunft verzichten, die wir den Bürgern zur Verfügung stellen, ohne dass es darauf einen Rechtsanspruch gibt. Wir werden in vielen Bereichen Sport, Kultur, Soziales kürzen müssen. Wir werden auch Qualität reduzieren müssen. Also die Bürger werden an verschiedenen Stellen spüren, dass es mit der Finanzlage der Kommunen schlechter wird. In Heidelberg etwa ist schon ein Teil. Sind ist schon ein Teil des öffentlichen Personennahverkehrs zurückgefahren worden. Also es trifft uns auf kurz oder lang im Moment alle und das werden alle Bürger auch an den verschiedenen Serviceleistungen der Städte und Landkreise spüren.