Zeugnis für Landesregierung

So steht es laut Experten um den Klimaschutz im Südwesten

12. November 2025 , 05:45 Uhr

Stuttgart (dpa/tk) – Wie in der Schule gibt es auch in der Klimapolitik einmal im Jahr ein Zeugnis. Dann stellt der von der Landesregierung eingesetzte Klima-Sachverständigenrat seinen Bericht zum Fortschritt des Klimaschutzes in Baden-Württemberg vor – und legt in vielen Bereichen den Finger in die Wunde.

Zeugnis Klimaschutz

Dringender denn je sei die rasche, zielgerichtete und umfassende Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen, mahnen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Besondere Sorge bereiten ihnen inzwischen die Wälder. Ein Überblick über die Entwicklung in den wichtigsten Sektoren:

Energiewirtschaft

Im vergangenen Jahr stießen Kraftwerke, Raffinerien und Co. erneut weniger Emissionen aus als noch im Vorjahr – und erreichten den niedrigsten Stand seit 1990. Grund dafür war aus Sicht der Experten vor allem ein weiterer Rückgang bei der Kohleverstromung. Bei der Fernwärmeerzeugung und in Raffinerien fielen dagegen ähnlich viele Emissionen wie 2023 an.
Beim Ausbau der Erneuerbaren Energien sieht das Gremium grundsätzlich eine positive Entwicklung, es gebe aber weiter eine «Welt der zwei Geschwindigkeiten», heißt es in dem Bericht. Während es beim Zubau der Photovoltaik im vergangenen Jahr erneut Rekordwerte gegeben habe, verfehle man beim Ausbau der Windenergie das Ziel deutlich. Immerhin: Bis Ende Juni seien Anträge für 1.230 neue Windenergieanlagen eingereicht worden. Das sei auch im Bundesvergleich eine herausragend hohe Zahl an Genehmigungsanträgen.

Gebäude

Der Gebäudesektor macht den Experten zufolge fast ein Viertel der Gesamtemissionen in Baden-Württemberg aus. Zwar ging der Ausstoß von CO2 fürs Heizen im vergangenen Jahr etwas zurück – die Experten nehmen aber wahr, dass immer wieder eingespart wird. Fürs Erreichen der Ziele reicht das nicht: Um die Zielmarke bis 2030 erreichen zu können, müsse der jährliche Rückgang fast verdreifacht werden.
Das Problem aus Sicht der Experten: Erdgas bleibe der dominierende Energieträger in privaten Haushalten, vor allem in bestehende Gebäude würden auch weiterhin neue fossile Heizungen eingebaut. Man empfehle deswegen ein zentrales Aktions- und Förderprogramm des Landes mit erheblich höheren Investitionen für grüne Wärmeinfrastruktur, schreiben die Sachverständigen in ihrem Bericht.

Verkehr

Autos, Lkw und Co. bleiben weiterhin ein Sorgenkind beim Klimaschutz. Im Verkehrsbereich gingen die CO2-Emissionen den Wissenschaftlern zufolge im vergangenen Jahr zwar leicht zurück: um 0,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Der Bereich bleibt aber weiter der größte CO2-Sünder im Land und kann weiterhin gegenüber 1990 keine Einsparungen vorweisen. Mit ein Grund: Autos sind seither zwar deutlich sauberer geworden – allerdings ist gleichzeitig auch die Fahrleistung deutlich angestiegen. Zudem hätten Elektrofahrzeuge weiter einen kleinen Anteil im gesamten Fahrzeugbestand. Fazit der Experten: «Ohne eine spürbare Verringerung der Fahrleistungen und einen beschleunigten Hochlauf der Elektromobilität sowie eine konsequente Verkehrsverlagerung werden die Klimaziele im Verkehr nicht erreicht.»

Industrie

Nach einem starken Rückgang um fast 15 Prozent im Jahr 2023 ging der CO2-Ausstoß von Fabriken auch im vergangenen Jahr nochmals um 4,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr zurück – und damit zum dritten Mal in Folge auf das niedrigste Niveau seit 1990. Mit Blick auf den Klimaschutz sei das zunächst sehr positiv, schreiben die Experten. Allerdings sei der Rückgang im Jahr 2024 erneut auf eine gesunkene Produktion der Industrie zurückzuführen. «Es scheint sich nicht um eine nachhaltige Entwicklung zu handeln, die auf tatsächlichen, gezielten Transformationsprozessen oder einer systematischen Emissionsminderung beruht», heißt es in dem Bericht. Zudem führe die schwache Konjunktur dazu, dass weniger in klimafreundliche Produktionsprozesse investiert werde.

Landwirtschaft

«Erhebliche Herausforderungen» sehen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf die Landwirtschaft zukommen, wenn diese ihre Klimaziele erreichen will. Diese würden nach derzeitigem Stand bis 2030 wohl erheblich verfehlt. Hinzu kommt: Bisher erreichte Rückgänge bei den Emissionen seien größtenteils darauf zurückzuführen, dass es aus wirtschaftlichen Gründen weniger Tierbestände gebe oder dass weniger mit mineralischem Stickstoffdünger gearbeitet werden dürfe. «Gezielte klimapolitische Maßnahmen des Landes sind nicht primär ausschlaggebend», konstatieren die Experten. Ohne zusätzliche Anstrengungen und auch Veränderungen beim Konsum tierischer Produkte werde man die gesetzten Klimaziele nicht erreichen können.

Wälder, Moore und Co

Wälder, Wiesen, Moore und Co. spielen für das Erreichen der Klimaziele in Baden-Württemberg eine sehr wichtige Rolle. Sie können nämlich CO2 speichern und gelten damit als CO2-Senken, die einen gewissen Ausstoß an Emissionen binden können. Das Problem laut Experten: Weil es den Wäldern wegen Trockenheit, Hitze und Schädlingen immer schlechter geht, verlieren sie auch ihre Kapazität, CO2 zu binden. Diese Entwicklung gefährde die im Klimaschutzgesetz festgeschriebenen Ziele massiv, warnen die Experten. Sollte der Sektor die für 2030 angenommene Senken-Wirkung nicht erbringen, müssten die übrigen Sektoren mehr CO2 einsparen.

 

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