Richterstreit: Kann Karlsruhe der Koalition helfen?

31. Juli 2025 , 05:13 Uhr
Drei Wochen nach der geplatzten Richterwahl im Bundestag ist der Streit über die Besetzung von drei Posten am Bundesverfassungsgericht festgefahren. Ein Kompromiss zwischen Union und SPD ist nicht in Sicht. Bleibt das so, muss Karlsruhe selber einschreiten.

Streit um eine Kandidatin

Teile der Union lehnen die von der SPD nominierte Richterkandidatin Frauke Brosius-Gersdorf ab. Sollte es auch gegen Ende der parlamentarischen Sommerpause noch keine Einigung geben, bekommt das Bundesverfassungsgericht eine aktive Rolle. Ende August wird dann der Wahlausschuss des Bundestags die Karlsruher Richter auffordern, selbst einen Vorschlag für den Posten zu machen.

So ist es in Paragraf 7a des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes geregelt. Brosius-Gersdorf ist von der SPD für die Nachfolge der Verfassungsrichterin Doris König aufgestellt worden, deren Amtszeit Ende Juni ausgelaufen ist. Wenn der Bundestag auch zwei Monate danach noch keine Entscheidung über die Nachfolge getroffen hat, muss das älteste Mitglied des Wahlausschusses das Verfassungsgericht laut Gesetz «unverzüglich» auffordern, einen eigenen Vorschlag zu machen.

Ausschuss-Ältester will Pflicht «fristgerecht» nachkommen

Diese Aufgabe kommt in dem zwölfköpfigen Gremium dem 67-jährigen CDU-Politiker Stefan Korbach zu, der sich bereits darauf einrichtet. «Dieser Verpflichtung werde ich fristgerecht nachkommen», teilte er der Deutschen Presse-Agentur auf Anfrage mit. Dass der Bundestag vorher eine Entscheidung trifft, gilt als ausgeschlossen. Die erste Sitzung nach der Sommerpause ist erst für den 10. September vorgesehen. Eine Sondersitzung für die Richterwahl haben die Koalitionsfraktionen abgelehnt.

Gericht half der Politik schon im Mai auf die Sprünge

Erst vor wenigen Monaten hat das Verfassungsgericht der Politik bei der Besetzung eines Richterpostens Hilfestellung geleistet. Für den Verfassungsrichter Josef Christ wollte die Union im vergangenen Jahr eigentlich den Vizepräsidenten des Berliner Verfassungsgerichts, Robert Seegmüller, nominieren. Damit waren die Grünen nicht einverstanden, die man für die notwendige Zweidrittelmehrheit aber brauchte.

Es folgte eine Hängepartie. Nach Ablauf der zweimonatigen Frist forderte der Wahlausschuss kurz vor der Bundestagswahl das Bundesverfassungsgericht auf, Vorschläge für die Nachfolge von Christ zu machen. Die Verfassungsrichter einigten sich auf drei Namen. Einstimmig wurde der Bundesarbeitsrichter Günter Spinner auf Platz eins gesetzt.

Die Union übernahm den Vorschlag schließlich und nominierte Spinner. Er ist neben den beiden SPD-Vorschlägen Brosius-Gersdorf und der Staatsrechtlerin Ann-Katrin Kaufhold einer der drei Kandidaten, die eigentlich am 11. Juli im Bundestag gewählt werden sollten.

Vorschläge des Verfassungsgerichts nur Ideensammlung

Die Vorschläge des Verfassungsgerichts sind aber in keiner Weise bindend, sondern nur eine Ideensammlung. Die Entscheidung liegt weiter beim Bundestag. «Das Recht des Wahlorgans, einen nicht vom Bundesverfassungsgericht Vorgeschlagenen zu wählen, bleibt unberührt», heißt es im Gesetz.

Bisher bekunden beide Seiten den Willen, auch ohne Hilfestellung zu einer Einigung zu kommen. CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann sagte kürzlich in einem dpa-Interview auf die Frage, ob Karlsruhe bei der Lösung des Streits eine Rolle spielen könnte: «Von der Priorität her muss man sagen, Ziel sollte es sein, dass wir das zunächst einmal im Bundestag bewerkstelligen können.»

Hoffmann schlug im selben Atemzug vor, ein ganz neues Richterpaket zu schnüren. Sowohl von der SPD als auch von den Grünen wurde das aber prompt abgeblockt. Die SPD will an Brosius-Gersdorf festhalten, die Unionsspitze kann ihre Wahl wegen des Widerstands Dutzender Abgeordneter nicht garantieren.

Nach weiteren drei Monaten kommt der Bundesrat ins Spiel

Wie lange das Bundesverfassungsgericht für seine Vorschläge benötigen wird, wenn es dazu aufgefordert wird, ist unklar. Das Gericht selbst wollte sich dazu nicht äußern: «Von Ausführungen zu hypothetischen Vorgängen wird abgesehen», erklärte ein Sprecher auf Anfrage.

Ein Vorschlag der Karlsruher wird jedenfalls auch eine weitere Frist auslösen. Sollte der Bundestag auch drei Monate danach noch keine Entscheidung getroffen haben, kann der Bundesrat einspringen. Bisher wollen die Koalitionäre im Bundestag das noch verhindern. Außerdem dürfte die Entscheidungsfindung dort nicht viel einfacher sein: Auch in der Länderkammer ist eine Zweidrittelmehrheit notwendig.

Anzeige
Berlin Bundestag Bundesverfassungsgericht CDU Frauke Brosius-Gersdorf Karlsruhe Koalition Richter SPD Streit Union Wahl

Das könnte Dich auch interessieren

23.02.2025 Bundestagswahl 2025 - Deutschland hat gewählt: Union klarer Sieger Berlin (dpa/svs) - Zehn Stunden lang konnten die Menschen in ganz Deutschland in den Wahllokalen ihre Stimmen für die Bundestagswahl abgeben - jetzt gibt es die erste Prognose. Wie schon in den vorherigen Umfragen der vergangenen Wochen, hat die Union die Wahl klar gewonnen und kommt auf 29 Prozent. Die AfD ist nach ersten Prognosen zweitstärkste Kraft und kommt auf 20 Prozent, die SPD um Kanzler Olaf Scholz schafft es nach ersten Prognosen auf 16 Prozent, die Grünen kommen auf 13 Prozent. 23.02.2025 630 Sitze, 4.506 Kandidaten - Zahlen zur Bundestagswahl Berlin (dpa/tk) - Fünf Bewerbungen ums Kanzleramt, 41 anerkannte Parteien, Hunderttausende Freiwillige – und deutlich weniger Kandidatinnen und Bewerber als beim letzten Mal. Das sind die Zahlen und Fakten rund um die heutige Bundestagswahl 07.05.2025 Kretschmann: «Diese Regierung darf nicht scheitern» Stuttgart (dpa/tk) - Der neue Bundeskanzler Friedrich Merz ist kaum im Amt, da meldet sich der baden-württembergische Regierungschef zu Wort. Neben einer demokratischen Botschaft formuliert er auch klare Forderungen. 23.02.2025 Bundestagswahl 2025 - So hat die Region gewählt Südwesten (dpa/svs) - Die CDU hat die Bundestagswahl auch in Baden-Württemberg mit deutlichem Abstand gewonnen. Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis kamen die Christdemokraten auf 31,6 Prozent der Stimmen – und schnitten damit besser ab als im Bund. Die AfD wurde zweitstärkste Kraft im Südwesten und verdoppelte sich auf 19,8 Prozent. Danach folgen SPD, Grüne, Linke und FDP.  Doch wie sieht es in den einzelnen Städten - Karlsruhe, Pforzheim, Calw, Rastatt und Baden-Baden aus?