Potenzialtest an Grundschulen - Gericht zweifelt Rechtmäßigkeit an

09. April 2025 , 07:01 Uhr

Karlsruhe (dpa/tk) – Wollen Eltern ihr Kind trotz anderslautender Grundschulempfehlung in Baden-Württemberg aufs Gymnasium schicken, muss es neuerdings einen extra Test absolvieren. Daran zweifelt ein Gericht.

Zweifel an der Rechtmäßigkeit

Es bestünden nicht unerhebliche Bedenken in Bezug auf die Rechtsgrundlage des sogenannten Potenzialtests und damit dessen Rechtmäßigkeit, heißt es in einem Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

Der Potenzialtest wurde im Februar erstmals durchgeführt und ist ein Element der verbindlicheren Grundschulempfehlung, die für die derzeitigen Viertklässler erstmals greift. An Stelle des reinen Elternwillens steht ein Modell aus drei Komponenten: der Lehrerempfehlung, dem Leistungstest «Kompass 4» und dem Elternwunsch. Stimmen zwei von drei überein, soll das den Ausschlag geben.Der Potenzialtest für Grundschulkinder hat bereits für viele Diskussionen gesorgt. Er wird an den Gymnasien durchgeführt und von Lehrkräften dort korrigiert. Bereitgestellt wird er vom Institut für Bildungsanalysen Baden-Württemberg (IBBW).

Gericht: Wesentliche Entscheidungen nicht der Schulverwaltung überlassen

Genau das sieht das Verwaltungsgericht Karlsruhe kritisch. Staatliche Bestimmungen müssten einen Sachverhalt umso detaillierter regeln, je intensiver der entsprechende Eingriff in Grundrechte sei, argumentierten die Richter. «Wesentliche Entscheidungen im Schulwesen muss der Gesetzgeber selbst treffen und sie dürfen nicht der Schulverwaltung überlassen werden.»

Die zuständige Kammer habe Zweifel geäußert, ob das bei den Regeln zum Potenzialtest der Fall sei, teilte das Gericht mit. Weder das Schulgesetz noch die Aufnahmeverordnung legten Mindestvoraussetzungen des Tests vor, um an einem Gymnasium aufgenommen zu werden. Stattdessen werde das dem IBBW überantwortet.

Die maßgebliche Verordnung lege fest, dass im Potenzialtest die erforderlichen Mindestwerte für das Anforderungsniveau des Gymnasiums erzielt werden müssen, teilte ein Sprecher des Kultusministeriums mit. «Die Festlegung, welche Leistung im Test für das gymnasiale Niveau ausreichend ist, ist eine fachliche Einschätzung, die von dem Schwierigkeitsgrad der jeweiligen Aufgabenstellung abhängt.» Auch bei zentralen Prüfungen wie etwa dem Abitur sei nicht in einer Verordnung oder einem Gesetz festgelegt, wie viel Punkte man zum Bestehen erreichen müsse, so der Sprecher.

Opposition sieht «juristische Ohrfeige» für die Landesregierung

Das Gericht hatte über mehrere Eilanträge von Eltern zu entscheiden, die erreichen wollten, dass für ihre Kinder noch die alte Regelung zum Übergang aufs Gymnasium gilt. Diese Anträge lehnte das Gericht ab, äußerte aber dennoch seine Bedenken mit Blick auf den Potenzialtest. Die Beschlüsse sind noch nicht rechtskräftig.

FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke nannte die Entscheidung des Gerichts «eine juristische Ohrfeige an (Ministerpräsident Winfried) Kretschmann und (Kultusministerin Theresa) Schopper, wie sie schallender kaum sein könnte». In Rekordzeit habe es Grün-Schwarz geschafft, nahezu jegliches Vertrauen in die neue Grundschulempfehlung zu verspielen

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