Mit der Dritten zu mehr Schutz? Erste Booster-Impfungen im Land

01. September 2021 , 05:00 Uhr

Stuttgart/Karlsruhe (dpa/lk) – Ein Teil des Immunschutzes lässt nach zwei Corona-Impfungen wieder nach. Davon sind Wissenschaft und Ärzte überzeugt. In Baden-Württemberg beginnt die dritte Runde der Impfungen. Ab dem heutigen Mittwoch werden die sogenannten Auffrischungsimpfungen gegen das Coronavirus landesweit angeboten. Die Regierung verspricht sich davon einen besseren Schutz vor allem für hochbetagte Menschen und andere Risikogruppen. Aber die Zahl der Betroffenen ist groß – und weil die Impfzentren schließen, wachsen die Zweifel. Aber sind die Auffrischungsimpfungen wirklich nötig? Und für wie viele Menschen kommen sie in Frage? Wird sich der Aufwand alleine durch mobile Impfteams und Hausärzte decken lassen?

Was sind eigentlich Auffrischungsimpfungen?

Bei einer Auffrischung erhalten Patienten eine weitere Dosis eines zugelassenen Impfstoffs. Diese dritte Spritze soll die Antwort sein auf einen nachlassenden Immunschutz vor allem bei sogenannten vulnerablen Gruppen. Denn Studien haben laut Gesundheitsministerium gezeigt, dass sich durch einen solchen Booster deutlich mehr Antikörper bilden können. Für Auffrischungsimpfungen hatte sich Anfang August die Gesundheitsministerkonferenz ausgesprochen.

Wer kommt in Baden-Württemberg in Frage?

Gedacht sind sie für Menschen, die bei der Erst- und Zweitimpfung zur ersten Prioritätengruppe gehört haben und bei denen die vollständige Impfung mindestens sechs Monate zurückliegt. Für alle anderen vollgeimpften Personen reicht der Schutz nach Ansicht der Wissenschaft noch einige Zeit aus. Maßgeblich ist das Datum der jüngsten Corona-Impfung.

Um wen geht es konkret?

Die Auffrischungen werden vor allem für sogenannte vulnerable Gruppen empfohlen. Hier liegt der Fokus auf Menschen mit Immunschwäche, auf Pflegebedürftigen und über 80-Jährigen. Neben 18 mobilen Impf-Teams dürfen auch niedergelassene Ärzte die Booster-Spritzen setzen. Menschen, die nicht in einem Heim betreut werden, können zum Hausarzt gehen.

Um wie viele Menschen geht es da?

Nach groben Schätzungen des Landes kommen Auffrischungsimpfungen in den kommenden sechs Monaten für bis zu 1,7 Millionen Menschen in Baden-Württemberg in Frage. Allerdings gibt es etliche Überlappungen. Bei den besonders vulnerablen Gruppen geht das Ministerium von 150.000 Menschen in Einrichtungen aus. Im kommenden Monat könnten knapp 90.000 Menschen eine dritte Spritze erhalten – das sind jene Geimpften, die in der Zeit zwischen Januar und März von mobilen Impfteams gespritzt wurden. Von Oktober bis Dezember kommen pro Monat weitere 20.000 hinzu. Zudem leiden rund 425.000 Menschen unter einer Immunschwäche. Laut Pflegestatistik werden außerdem 375.000 Pflegebedürftige zuhause betreut, rund 750.000 Menschen sind älter als 80 Jahre. Unklar ist aber, wie viele davon geimpft sind und wie viele auch in die anderen Kategorien fallen.

Die Impfzentren schließen Ende September, es gibt nur 18 mobile Impfteams. Wie soll das funktionieren?

Das Land ist überzeugt, dass das Angebot ausreicht. Pflegeheime und anderen Einrichtungen würden durch die Heim- und Hausärzte versorgt. „Damit werden schon viele der Einrichtungen abgedeckt“, sagte ein Sprecher. Neben den festen mobilen Impfteams könnten alle Impfzentren weitere Gruppen aus den eigenen Kapazitäten besetzen. „Die Zahl 18 ist daher nicht in Stein gemeißelt“, hieß es. „Insgesamt gehen wir davon aus derzeit, dass ausreichend mobile Impfteams zur Verfügung stehen.“ Uwe Lahl, Amtschef im Gesundheitsministerium, betont: „Wir machen es, weil es sinnvoll ist und weil wir die Möglichkeiten haben.“ Auch die Ärzte sind vorbereitet: „Die Hausärzte in Kombination mit Betriebsärzten und mobilen Impfteams werden das schaffen“, sagte Manfred King vom Hausärzteverband Baden-Württemberg.

Gibt es denn Zweifel daran?

Natürlich. SPD-Fraktionschef Andreas Stoch ist zum Beispiel weniger überzeugt. „Es ist illusorisch, diese Aufgabe allein den Hausarztpraxen zu überlassen“, sagt er und fordert eine Fortsetzung für die Impfzentren. „Wenn die Impfzentren oft kaum zur Hälfte ausgelastet sind, müssen sie nicht die größten Stadthallen belegen“, schlägt er vor. „Aber in kleinerem Rahmen sind sie nötig.“

Gibt es denn überhaupt genug Impfstoff?

Ja, für die Auffrischungsimpfungen ist nach Angaben des Gesundheitsministeriums und des Landesgesundheitsamtes genügend Impfstoff vorhanden.

Was halten die Wissenschaftler davon?

Kommt ganz drauf an, von welcher Gruppe die Rede ist. Für die meisten Geimpften ist eine Auffrischung im Herbst nach Überzeugung des Virologen Christian Drosten nicht nötig. „Die Schutzwirkung der Corona-Vakzinen ist viel besser als beispielsweise bei den Influenza-Impfstoffen“, sagte er Mitte August. Bei alten Menschen sowie bestimmten Risikopatienten hält Drosten eine Auffrischungsimpfung in diesem Herbst jedoch durchaus für sinnvoll. „Nach einem halben Jahr geht das über die Impfung erworbene Antikörper-Level vor allem bei sehr alten Menschen deutlich runter.“

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