Kretschmann kritisiert Rente mit 63: «Können uns das nicht leisten»

07. September 2023 , 09:44 Uhr

Region (dpa/dk) – Was wäre, wenn nicht alle in einem bestimmten Alter in Rente gehen, sondern das nach Gesundheitszustand entschieden wird? Das schlägt Ministerpräsident Kretschmann jetzt vor. Denn: Dass gesunde Menschen mit 63 in Rente gehen „können wir uns nicht leisten“

„Müssen unser Rentensystem anpassen“

Die Menschen werden immer älter und zugleich schlägt der Fachkräftemangel immer heftiger zu: Für Ministerpräsident Winfried Kretschmann ist das ein Grund, über die Zukunft der Rente zu diskutieren.

Wir müssen mit dem Rentenalter zielorientiert umgehen. Wer schwer körperlich gearbeitet hat, den muss man anders behandeln als jemanden, der noch körperlich und geistig fit ist,

sagte der Grünen-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. Immer mehr Menschen leisteten Wissensarbeit und keine harten körperlichen Arbeiten. «Darauf müssen wir unser Rentensystem besser anpassen.»

Menschen müssen länger arbeiten

Ein Problem sei die vorgezogene Rente mit 63, findet Kretschmann. Damit könne man nicht mehr umgehen wie bisher. «Wir können es uns nicht leisten, dass hauptsächlich eigentlich gesunde und gut verdienende Menschen mit 63 in Rente gehen», sagte Kretschmann. Für diese Menschen sei die Rente mit 63 nicht gedacht.

Mit «Rente mit 63» ist die abschlagsfreie Rente nach 45 Versicherungsjahren gemeint, weil zunächst Menschen mit Geburtsjahr vor 1953 so bereits mit 63 Jahren ohne Abschläge in Rente gehen konnten. Im vergangenen Jahr lag die Altersgrenze laut Rentenversicherung bei 64 Jahren. Ab Geburtsjahrgang 1964 gibt es die abschlagsfreie Rente dann frühestens mit 65 Jahren.

Menschen werden immer älter

Kretschmann verwies auf den wissenschaftlichen Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums. Der gebe an, dass ein Großteil derer, die frühzeitig in Rente gingen, gut ausgebildet seien, überdurchschnittlich verdienten und gesund seien. «Es ist also eine irrige Annahme, die da rumgeistert, dass es hauptsächlich Dachdecker oder andere körperlich oder psychisch schwer arbeitende Menschen wären, die dieses Angebot nutzen», sagte Kretschmann. Das Angebot sei aber ursprünglich für Menschen gedacht gewesen, die nicht länger arbeiten könnten. «Ein Großteil derer, die das nutzen, müsste es aus gesundheitlichen Gründen nicht machen», kritisierte Kretschmann.

Hinzu komme, dass die Menschen immer älter würden und auch immer länger gesund seien. «Das muss sich im Rentensystem auswirken, denn sonst muss der Bundeshaushalt ja immer mehr für die Rente aufbringen – und das ist auch eine Frage der Generationengerechtigkeit», sagte Kretschmann.

Faire Balance zwischen Arbeitszeit und Ruhestand

Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) hatte vor ein paar Monaten die Rente mit 63 bereits als schweren Fehler bezeichnet. Diese sei nicht nur generationenungerecht und schlecht angesichts des Fachkräftemangels, sondern auch ein verheerendes Signal, das korrigiert werden müsse. «Anstatt, dass die Politik alle paar Jahre neue Debatten um die Rente führt, sollten wir uns endlich ernsthafte Gedanken darüber machen, wie wir bei steigender Lebenserwartung eine faire Balance zwischen Arbeitszeit und Ruhestand finden.» Bayaz nannte etwa als mögliches Modell, dass jedes zusätzliche gewonnene Jahr Lebenserwartung aufgeteilt werde in vier Monate zusätzliche Arbeit und acht Monate zusätzlichen Ruhestand.

Auch ein regulärer Renteneintritt mit 67 Jahren ist aus Sicht von Bayaz nicht dauerhaft zu halten. «Meine Generation muss sich auf längeres Arbeiten im Alter einstellen – auch wenn wir unseren Wohlstand halten wollen», sagte der Grünen-Politiker. «Ich halte das für viele Berufe auch zumutbar, da sich die Arbeitswelt in den kommenden Jahren fundamental verändern wird, körperlich anstrengende Arbeit wird weniger, Wissensarbeit wird mehr.»

Anzeige
Kretschmann Rente Rente mit 63 Rentensystem

Das könnte Dich auch interessieren

01.07.2025 Rente, Steuern, Sommerferien – was im Juli auf Euch zukommt Berlin (dpa/tk) - Im neuen Monat können sich unter anderem Rentner und Bundestagsabgeordnete über mehr Geld auf dem Konto freuen. Für alle gilt:  Die Frist für die Steuererklärung läuft ab und für Schüler und Lehrer winken die Sommerferien! Die wichtigsten Änderungen im neuen Monat Juli, haben wir im Artikel für euch zusammengefasst. 20.05.2025 Städtetags-Chef Mentrup warnt: Kommunen droht "eine ganz gefährliche und teuflische Lage" Baden-Baden (pm/dk) - Die Stadt Baden-Baden steht vor der Zahlungsunfähigkeit - auch viele andere Kommunen stecken in einer finanziellen Notlage. Für den Präsident des Städtetags Baden-Württemberg, Frank Mentrup, der auch Oberbürgermeister in Karlsruhe ist, ist das Land schuld an der Misere. Wir haben mit ihm gesprochen - dabei schlägt er versöhnliche Töne an. 29.04.2025 Kretschmann ermahnt Karlsruhes OB Mentrup: «Mehr Sachlichkeit, weniger Krawall» Baden-Württemberg (pm/dk) – Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat im Streit um die kommunale Finanzsituation zu mehr Sachlichkeit gemahnt – und sich demonstrativ vor Innenminister Thomas Strobl (CDU) gestellt. Hintergrund sind scharfe Aussagen des Städtetagspräsidenten Frank Mentrup (SPD), der Strobl kürzlich als «Totalausfall» für die Kommunen bezeichnet hatte. 04.12.2025 Die Fantastischen Vier kommen 2027 nach Waghäusel - Vorverkauf startet am Freitag Waghäusel (pm/dk) - Die Fantastischen Vier nehmen für ihre große Abschiedstour wirklich jede Haltestelle mit – und 2027 steht dabei auch ein ganz besonderer Stopp in unserer Region an: Waghäusel. Unter dem Motto „Der letzte Bus“ verabschiedet sich die Stuttgarter Kultband von der großen Bühne und kündigt nun zusätzliche Open-Air-Konzerte für den Sommer 2027 an. Ab Freitag gibt es Karten.