Region (dpa/lsw) – Der Streit um die geplante Schließung von 18 Notfallpraxen in Baden-Württemberg nimmt nun rechtliche Dimensionen an. Mehr als ein Dutzend betroffene Städte haben nach eigenen Angaben eine gemeinsame Klage beim Sozialgericht in Stuttgart eingereicht. Hintergrund ist die Unzufriedenheit mit den Schließungsplänen der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW), die nicht nur auf Widerstand der Kommunen stoßen, sondern auch die Justiz beschäftigen.
Die ersten Drei Notfallpraxen schließen bereits Ende März – darunter auch Neuenbürg im Enzkreis. Die Notfallpraxis in Nagold schließt zum 30. Juni, der Standort Ettlingen zum 30. November 2025.
Die 13 betroffenen Kommunen betonen, dass sie nicht grundsätzlich gegen die Schließung von Notfallpraxen im Rahmen eines landesweiten Konzeptes sind. Allerdings kritisieren sie, dass sie nicht ausreichend in die Planungen eingebunden und über die Hintergründe der Entscheidungen nicht ausreichend informiert wurden. Die Städte fordern eine rechtliche Klärung der Situation, um sicherzustellen, dass die Bedürfnisse der betroffenen Bürger angemessen berücksichtigt werden.
Die KVBW plant, bis zum Herbst 2025 insgesamt 18 Notfallpraxen im Land zu schließen. Als erstes sollen ab April die Praxen in Bad Saulgau, Kirchheim unter Teck und Neuenbürg schließen. Weitere Schließungen folgen bis Ende Oktober 2025. Die verbleibenden Notfallpraxen sollen mit verlängerten Öffnungszeiten und zusätzlicher Kapazität ausgestattet werden, um die Versorgung aufrechtzuerhalten. Die KVBW verweist dabei auf den Ärztemangel als Hauptursache für die Schließungen.
Kritik kommt auch aus der Politik. Die SPD befürchtet, dass durch die Schließungen die umliegenden Notaufnahmen massiv stärker belastet werden könnten. Laut einer Landtagsanfrage zur Schließung der Notfallpraxis in Buchen (Neckar-Odenwald-Kreis) stieg die Zahl der Patienten in der örtlichen Notaufnahme deutlich an, nachdem die Praxis geschlossen wurde. An den Wochenenden zwischen November 2023 und März 2024 wurden 1.361 Patienten behandelt, im Vergleich zu 1.072 im Vorjahreszeitraum.
Die KVBW führt den Ärztemangel als wesentlichen Grund für die Schließungen an. Bereits im vergangenen Jahr wurden acht Notfallpraxen dauerhaft geschlossen. Die KVBW strebt nun an, dass 95 Prozent der Patienten in Baden-Württemberg innerhalb von 30 Minuten eine Notfallpraxis erreichen können, der Rest innerhalb von 45 Minuten. Die neuen Standorte sollen künftig nur noch in Verbindung mit einem Krankenhaus mit Notaufnahme betrieben werden.
Die betroffenen Städte werfen der KVBW vor, sie ohne frühzeitige Einbindung und transparente Kommunikation vor vollendete Tatsachen gestellt zu haben. „Wir hätten uns eine rechtzeitige und ergebnisoffene Einbindung in die Strukturüberlegungen der KVBW gewünscht“, erklärte Müllheims Bürgermeister Martin Löffler (SPD), einer der Initiatoren der Klage. Ettlingens Oberbürgermeister Johannes Arnold (parteilos) kritisierte ebenfalls den unzureichenden Informationsfluss.
Die Klage wird nun vor dem Sozialgericht in Stuttgart verhandelt, während die Schließungspläne der KVBW weiter umgesetzt werden sollen.