Karlsruhe/Baden-Baden (lk) – Während die einen auf dem Weihnachtsmarkt Glühwein trinken, kämpfen andere auf den Intensivstationen der Kliniken um das Überleben der Corona-Patienten. Die Lage in der Region spitzt sich immer weiter zu. Viele Stadt- und Landkreise sind bereits Corona-Hotspots mit verschärften Beschränkungen für Ungeimpfte. Erste Corona-Intensivpatienten aus Karlsruhe und Pforzheim sind ins Saarland und nach Rheinland-Pfalz verlegt worden. Die Kliniken laufen am Limit. Und die Verantwortlichen fordern sehr deutlich weitere drastische Verschärfungen.
Die Corona-Neuinfektionen sind so hoch wie nie zuvor, jeden Tag werden neue Rekordwerte erreicht. Die Intensivstationen der Kliniken sind brechend voll, meist sind die Corona-Patienten mit schweren Verläufen ungeimpft. Die Kliniken müssen planbare Operationen verschieben und stehen vor massiven finanziellen Problemen. Hinzu kommen Besuchsverbote und dadurch fehlende Einnahmen durch Parkhäuser und Cafeterien. Auf der anderen Seite sind die Ausgaben für Reinigungs- und Desinfektionsmittel, Krankenhaustextilien, Schutzkleidung oder Sicherheitsdienste stark gestiegen. „Wir rechnen mit einem hohen zweistelligen Millionenbetrag an Einbußen“, sagt Michael Geißler, Medizinischer Geschäftsführer am Städtischen Klinikum Karlsruhe. „Das können wir auf Dauer nicht stemmen.“
In den vier Kliniken in der Region Karlsruhe gibt es Stand heute nur noch vier freie Intensivbetten. „Nach aktueller Prognose steigert sich die Zahl der Corona-Intensivpatienten von jetzt 530 auf über 800 bis in zwei Wochen. Ich rechne daher damit, dass wir ab nächster Woche keine freien Intensivbetten mehr haben. Dann heißt es ausfliegen. Das wird jetzt Standard werden, im Notfall sogar ins Ausland“, so Geißler weiter. Derzeit sind am städtischen Klinikum Karlsruhe wegen Pflegemangel nur 37 von insgesamt 66 Intensivbetten betreibbar. Da sich zwischenzeitlich auch viel jüngere Corona-Patienten auf den Intensivstationen befinden, sind auch die Liegezeiten deutlich länger. „Die Patienten liegen länger als in der zweiten und dritten Welle.“ Daher fordert der Klinikchef klipp und klar verschärfte Maßnahmen.
„Aus meiner Sicht brauchen wir einen Lockdown.“ Geißler fordert maximale Kontaktbeschränkungen, abgesehen von den Schulen. Diese seien nicht das Problem, sollten weiter offen gehalten und Kinder geschützt werden. „Dass Ungeimpfte seit fast einem halben Jahr frei auf Veranstaltungen und Essen gehen können, dass Diskotheken offen haben, das passt für mich nicht zusammen. Da kann ich nur mit dem Kopf schütteln. Wir haben eine dramatische Situation. Jeden Tag sterben hunderte Menschen auf den Intensivstationen, die Mitarbeiter sind ausgebrannt und die Menschen gehen auf Weihnachtsmärkte Glühwein trinken.“ Geißler führt weiter aus, dass rund 85 Prozent der Corona-Intensivpatienten nicht geimpft seien.
Ein ähnliches Bild zeigt sich auch im Klinikum Mittelbaden in Baden-Baden. Ungeimpfte Corona-Patienten überfluten die Intensivstationen. Der medizinische Geschäftsführer am Klinikum Mittelbaden, Thomas Iber, fordert ebenfalls einen Lockdown und drastische Kontaktbeschränkungen. „Medizinisch infektiologisch betrachtet, lässt sich die vierte Welle nur noch durch einen Lockdown bremsen. Die Menschen müssen die Impfangebote wahrnehmen, um eine sich bereits jetzt abzeichnende Folgewelle – die fünfte Welle – zu vermeiden.“ Nur mit aller Kraftanstrengung lasse sich die Lage unter Kontrolle halten. Und mit starrköpfigen und selbstverschuldeten Erkrankungen hätten Ärzte und Pflegepersonal bereits seit jeher zu kämpfen. „Wir machen einem Alkoholkranken oder einem Diabetiker wegen seiner jahrelangen Fehlernährung auch keine Vorwürfe. Das Tragische im Moment ist, dass wird durch die Ausbreitung des Virus zu viele Patienten gleichzeitig behandeln müssen. Insofern ist es nicht mehr nur die Aufgabe jedes Einzelnen, sondern der gesamten Gesellschaft.“
„Die Corona-Lage ist besorgniserregend. Wir haben die höchsten Fallzahlen seit Entstehung der Pandemie“, sagt Rastatts Erster Landesbeamter Jörg Peter. Ihm mache die Impfbereitschaft der jüngeren Menschen Sorgen. „Je älter die Menschen sind, desto besser ist die Impfquote. Auch das Thema von Kinder- und Jugendimpfungen beschäftigt uns.“ Die stationären Impfangebote im Landkreis Rastatt sollen daher gestärkt werden. In den drei großen Kreisstädten Rastatt, Gaggenau und Bühl werden sogenannte Impfambulanzen eingerichtet, die ab dem 1. Dezember den Betrieb aufnehmen. Kombiniert wird das Angebot durch Mobile Impfteams. „Die Schließung der Impfzentren war voreilig und nicht vorausschauend vom Land. Diesem Fehler rennen wir jetzt hinterher und haben solch eine starke vierte Welle.“