Stuttgart (dpa/nr) – Klimaziele, Zertifikate und CO2-Speicherung: Welche Herausforderungen sehen Industrievertreter beim Weg zur Klimaneutralität im Südwesten?
Die baden-württembergische Wirtschaft setzt sich für eine kritische Analyse der bisherigen Maßnahmen der Politik zur Klimaneutralität ein. „In großen Teilen der Wirtschaft gibt es Zweifel, ob die selbstgesteckten Klimaziele für Baden-Württemberg so wie geplant in dem Zeitraum umgesetzt werden können“, sagte der Chef des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertags (BWIHK), Jan Stefan Roell, in Stuttgart. Ein so wichtiger Schritt sei nur langfristig mit einer starken Wirtschaft zu machen.
Roell sagte: „Wir brauchen nun eine Auflistung aller Maßnahmen, was wir auf dem Weg zur Klimaneutralität schaffen wollten und was wir noch nicht geschafft haben.“ Es sei aus seiner Sicht überambitioniert gewesen, dass Baden-Württemberg schneller klimaneutral sein wolle als Europa und der Bund.
Im Juni 2024 hatte der Klima-Sachverständigenrat im Auftrag des Landes erstmals eine Prognose erstellt, wonach das Land droht, seine Klimaziele – konkret seinen Treibhausgas-Ausstoß bis 2030 um 65 Prozent im Vergleich zu 1990 zu reduzieren und bis 2040 klimaneutral zu werden – deutlich zu verfehlen. Dem damaligen Bericht zufolge wird das Zwischenziel bis 2030 nicht erreicht. Das Ziel der Klimaneutralität bis 2040 sei ebenfalls weit entfernt.
Der Bund strebt Klimaneutralität bis 2045 an. Roell sagte, wichtig sei auch, dass Unternehmen mit Hilfe von Klimazertifikaten ihre eigenen Ziele teilweise reduzieren könnten. Die EU setzt unter anderem auf die Zertifikate aus dem Ausland.
Mit Klimazertifikaten aus Nicht-EU-Ländern sollen Treibhausgasemissionen, die in der EU entstehen, verrechnet werden können. So soll es möglich sein, Emissionsgutschriften für Projekte der Kohlenstoffspeicherung oder -entnahme aus der Atmosphäre zu kaufen und den inländischen Reduktionen zuzuschlagen.
Kritiker befürchten, dass wirtschaftlich weniger leistungsstarke Staaten im Globalen Süden ihre nationalen Klimaziele bewusst niedriger ansetzen, um sich Aufstockungen von den Europäern bezahlen zu lassen. Oder dass Minderungen doppelt angerechnet werden könnten.
Ferner sprach sich der BWIHK-Chef für die Zulassung der CO2-Speicherung aus. Sie sei entscheidend für die wettbewerbsfähige Transformation der Industrie zur Klimaneutralität. Der Bund habe bei dem Thema schon seine Hausaufgaben gemacht. In Baden-Württemberg müsse man gleichfalls schauen, ob es dafür gesetzliche Regelungen benötige.