«Ich lerne richtig gerne» - Mit 50 plus in die Lehre gehen

17. Dezember 2024 , 04:53 Uhr
Kraichtal/Karlsruhe (dpa/agd) – Azubis sind meist jung. Ältere trauen sich selten in eine Ausbildung. Aber es gibt sie, die älteren Lehrlinge – und ihre Zahl steigt. Einer ist schon 52 – und mit seinem Sohn gemeinsam in der Lehre.

Mit 50 plus die erste Ausbildung

Er hat sich ganz schön was getraut: Recep Parlak ist 52 Jahre alt, lebt seit rund 30 Jahren in Deutschland – und macht nun zum ersten Mal in seinem Leben eine Ausbildung. «Er ist ein Vorbild für alle anderen Azubis in meinem Betrieb», sagt sein Chef Rüdiger Bahm. Bahm, der in Kraichtal ein Autohaus mit Werkstatt führt, beschreibt seinen mit Abstand bislang ältesten Lehrling als enorm motiviert, immer zuverlässig, praktisch nie krank.

Auch in der Schule sei er stets im Unterricht voll dabei – im Gegensatz zu vielen seiner deutlich jüngeren Mitschüler. Parlak, der angehende Kfz-Mechatroniker, ist im dritten Lehrjahr und macht im kommenden Jahr seine Abschlussprüfung. «Ich lerne richtig viel und richtig gerne», sagt er.

Ältere Azubis immer noch selten

Relativ «alte» Azubis wie er sind zwar immer noch eine Seltenheit. Aber inzwischen wagen mehr und mehr Ältere es, noch mal ganz neu anzufangen. Seit 2010 sei bei den Azubis im Südwesten eine Verschiebung der Prozentanteile hin zu höherem Alter zu beobachten, berichtet das Statistische Landesamt. Demnach stieg der Anteil der 35- bis 39-Jährigen an der Gesamtzahl der Azubis im Südwesten von 0,2 Prozent im Jahr 2010 auf immerhin 0,9 im vergangenen Jahr. Damit befanden sich zuletzt rund 1.460 Personen dieses Alters in einer Ausbildung.

Auch Menschen über 40 legten zahlenmäßig zu. 2010 waren rund 350 (0,2 Prozent) in einer Ausbildung; inzwischen hat sich ihre Zahl auf 972 und einen Anteil von 0,6 Prozent fast verdreifacht. Alles in allem befanden sich im vergangenen Jahr mehr als 170.000 Menschen in einer Ausbildung. Die meisten waren zwischen 17 und 22 Jahre alt.

Für Unternehmen meist junge Menschen im Fokus

Fachkräftemangel hin oder her – für die meisten Unternehmen liegt beim Werben um Azubis das Augenmerk auf jungen Leuten. «Die Hauptzielgruppe für eine Ausbildung ist die Generation Z», sagt eine Sprecherin des Karlsruher Energieversorgers EnBW. Bei EnBW sowie der Netze BW absolvierten derzeit rund 850 Personen eine Ausbildung oder auch ein duales Studium. Vereinzelt erreichten aber auch Bewerbungen älterer Menschen das Unternehmen. Ihre Erfahrung betrachte man als großen Mehrwert.

Bei der Drogeriekette dm ist ein Großteil der 4.400 Lehrlinge unter 25 Jahre alt. Es gebe aber auch Azubis zwischen 30 und 45. «Das sind in der Regel Menschen, die sich neu orientieren oder nachdem sie eine längere Zeit nicht im Berufsleben waren, wieder einsteigen möchten», sagt eine Sprecherin. «Wir sind fest davon überzeugt, dass ältere Lehrlinge wertvolle Perspektiven mitbringen», sagt sie.

Vor allem Frauen wagen Neuanfang

Ihrer Erfahrung nach trauten sich vor allem Frauen einen Neu- oder Wiederanfang zu, sagt Patricia Montbrun, Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt bei der Arbeitsagentur Karlsruhe-Rastatt. Insgesamt aber bleibe der Komplex «ältere Auszubildende» ein Segment mit begrenztem Potenzial. Zwar appelliere man gezielt an Unternehmen, ältere Menschen nicht nur einzustellen, sondern auch auszubilden. Viele zögerten aber, «es ist einfach nicht der Normalfall», erläutert sie.

Auch für potenzielle Bewerber sei es nicht einfach, noch einmal den Weg in die Ausbildung zu wagen. «Man muss wieder lernen, man ist zunächst wieder ganz „unten“, man hat oftmals ein ausgefülltes Privatleben mit Kindern, anderen Verpflichtungen et cetera», sagt sie. Auch der finanzielle Aspekt spiele dann eine Rolle. «Viele fragen sich: Wovon lebe ich dann drei Jahre?»

Vater und Sohn – beide sind gleichzeitig in der Ausbildung

Auch Parlak, der sein ganzes Leben gearbeitet hat, verdient während der Ausbildung weniger und muss nun jeden Pfennig umdrehen – aber das ist es wert, sagt er. Mit einem Abschluss habe er endlich etwas vorzuweisen, werde später besser bezahlt als bisher als Ungelernter.

Auch sein 22 Jahre alter Sohn macht gerade eine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker. Er lernt im gleichen Betrieb, er ist im gleichen Lehrjahr und in der Parallelklasse der Berufsschule. Neben dem Alter gibt es nur einen Unterschied zwischen Vater und Sohn: «Meine Noten sind besser», sagt Parlak, der Ältere. Nächstes Jahr ist Abschlussprüfung.

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