Forscher tüfteln in Karlsruhe und Freudenstadt an insektenfreundlicher Beleuchtung

20. September 2021 , 09:00 Uhr

Karlsruhe/Freudenstadt (dpa/lk) – In drei Naturschutzgebieten im Südwesten fangen Forscher seit Monaten Insekten im Dienste der Wissenschaft. Bei dem Projekt NaturLicht geht es darum, insektenfreundlichere Beleuchtung zu finden, wie das Regierungspräsidium Karlsruhe erläuterte. In den „Backofen-Riedwiesen“ im Rhein-Neckar-Kreis, am „Alten Flugplatz“ in Karlsruhe und in der „Heimbachaue“ im Landkreis Freudenstadt sollen Art und Anzahl der Insekten in den Fallen bei bisheriger Beleuchtung analysiert werden – und nach einem Austausch durch weniger schädliche Leuchtmittel.

Es summt und schwirrt in Karlsruhe und Freudenstadt

An der Leuchte nahe eines Teichs schwirren mehr Mücken. An jener dicht bei einem Wald sammeln sich vor allem Käfer. „Das unterscheidet sich sehr“, sagt Andreas Jechow von der Forschungsgruppe Lichtverschmutzung und Ökophysiologie des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB). Allerdings haben die Insekten eigentlich nichts an den Leuchten zu suchen, sondern sollen im Naturschutzgebiet bleiben. Neue Arten der Straßenbeleuchtung können dabei helfen, so viel ahnt man schon. „Wir wissen aber nicht, wie stark der Effekt ist.“ Deshalb hängen Jechow und Kollegen an mehreren Orten im Südwesten Fallen auf.

Forscher wollen Artensterben minimieren

In drei Naturschutzgebieten in den Kreisen Rhein-Neckar, Karlsruhe und Freudenstadt erheben die IGB-Experten die Lichtverschmutzung. Dafür werden Daten über Art und Anzahl der Insekten in den Fallen ausgewertet. Die Hälfte der Leuchten an den Messstrecken soll im Winter ausgetauscht werden, wie Juliane Körner vom Naturschutzreferat des Regierungspräsidiums Karlsruhe erläutert. Die Behörde koordiniert das Projekt NaturLicht. Die Erkenntnisse sollen am Ende laut Jechow auf Beleuchtung an anderen Naturschutzgebieten übertragbar sein. Das Licht der neuen Leuchten soll Jechows Angaben nach nur auf den Gehwegen und Straßen zu sehen sein. „LED kann man so begrenzen, dass sie dahin strahlt, wo man sie braucht.“ Und nicht links und rechts noch ins Gebüsch. Auch sollten die Leuchten nicht mehr aus der Ferne sichtbar sein. Um den Effekt messen und vergleichen zu können, werden dann wieder Insektenfallen installiert und die Fänge analysiert.

Rückgang der Insektenbestände alarmierend

Bei dem Thema geht es um einen grundlegenden Konflikt: Einerseits soll die Straßenbeleuchtung nachts für Sicherheit von Bürgerinnen und Bürgern sorgen. Anderseits hat künstliche Beleuchtung negative Folgen für Tiere wie Insekten und Fledermäuse: Sie werden angelockt und dem natürlichen Lebensraum entzogen. Jechow spricht vom Staubsaugereffekt. Zudem könnten sich die Strahlungen benachbarter Straßenleuchten nach Angaben des Bundesamts für Naturschutz überschneiden und so eine Barriere darstellen, wenn Insekten eine Straße passieren wollen. Diese beiden Aspekte – Sicherheit und Tierwohl – sollen unter einen Hut gebracht werden. „Es geht um die Balance zwischen dem Licht, wie Menschen es benötigen, und Artenschutz“, sagt Jechow.

Straßenbeleuchtung für Sicherheit der Bürger

Finanziert wird NaturLicht aus den Mitteln des „Sonderprogramms zur Stärkung der biologischen Vielfalt“, für das das baden-württembergische Umweltministerium insgesamt 27 Millionen Euro für vier Jahre zur Verfügung hat – 440.000 Euro davon für Naturlicht. In einem weiteren Schritt wollen Jechow und sein Team auch Fledermausquartiere unter die Lupe nehmen. Hier gehe es aber eher um Fassadenbeleuchtung, erklärt der Fachmann. Zwar gebe es einige Fledermausarten, die gezielt an Lichtquellen jagten. Die meisten würden durch das künstliche Licht aber eher gestört, änderten Flugzeiten oder verließen Gebiete gänzlich und siedelten um.

440.000 Euro für insektenfreundliches Naturlicht

Das Bundesumweltministerium lässt im Bundesprogramm Biologische Vielfalt ein neues Straßenbeleuchtungsdesign entwickeln, das die Abstrahlung des Lichtes minimieren soll. Auch hier ist das IGB am Zug und erhebt in vier Gemeinden in Hessen, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg vor und nach der Umrüstung Daten zu den Insekten. Zudem würden bei diesem Projekt Bürger, Vereine und Schulklassen beteiligt, erläutert Jechow. Und in Zusammenarbeit mit Leuchtenentwicklern werde weiter an verschiedenen Arten der Beleuchtung gefeilt. Projekte dieser Art – sei es mit Blick auf Auswirkungen von (Straßen-)Beleuchtung auf Naturschutzgebiete oder zum Design von Straßenbeleuchtung – in anderen Städten sind dem Verkehrsministerium Baden-Württemberg laut einem Sprecher nicht bekannt.

Energiekosteneinsparung bei den Kommunen

Auch Jechow sagt, dass solche Daten fehlen. Es gebe Studien, welche Insekten durch bestimmte Farbspektren im Licht angelockt werden. Wie aber Beleuchtung insektenfreundlich gestaltet werden kann, sei unklar. Die Folgen einer Umstellung bei der Straßenbeleuchtung gehen dabei womöglich über den Tierschutz hinaus, wie das Regierungspräsidium in Karlsruhe im Zusammenhang mit NaturLicht erläutert: „Willkommener Nebeneffekt des Projektes wird auch eine Energieeinsparung und damit eine Verringerung der Stromkosten für die Kommunen sein.“

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