Die Südwest-CDU hofft auf Rückkehr zur Macht - Parteitag in Heidelberg

05. Dezember 2025 , 06:03 Uhr
Keine 100 Tage sind es mehr bis zur Landtagswahl. Am Wochenende läutet die CDU mit dem Parteitag in Heidelberg die heiße Phase des Wahlkampfs ein. Eines ist sicher: Baden-Württemberg wird im Frühjahr einen neuen Regierungschef bekommen. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne, 77) tritt nicht mehr an. Die besten Chancen, sein Erbe anzutreten, hat CDU-Spitzenkandidat Manuel Hagel.

Die Ausgangslage

Baden-Württemberg ist ein konservatives Land. Fast 60 Jahre lang regierten die Christdemokraten im Ländle. Dann spülte die Reaktorkatastrophe von Fukushima und der Streit um Stuttgart 21 im Jahr 2011 die Grünen von Kretschmann an die Macht. Die einst stolze CDU wurde zunächst in die Opposition, dann in die Rolle des Juniorpartners verwiesen. So mancher in der Partei mag deshalb die vergangenen Jahre als Demütigung empfunden haben.

Nun, wegen des bundesweiten Niedergangs der Grünen in den Umfragen und wegen des Wegfalls des Kretschmann-Bonus haben die Konservativen zum ersten Mal wieder gute Chancen auf den Einzug in die Stuttgarter Regierungszentrale, die Villa Reitzenstein. Damit würde aus Sicht mancher CDU-Mitglieder der «historische Ausrutscher» der grünen Regentschaft korrigiert.

Die Umfragewerte

Vor allem die Umfragewerte geben den Konservativen dabei Hoffnung. Bei der jüngsten Erhebung von SWR und «Stuttgarter Zeitung» Mitte Oktober lag die CDU bei 29 Prozent der Stimmen. Dahinter kam die AfD mit 21 Prozent. Die Grünen kamen auf 20 Prozent der Stimmen, dahinter die SPD auf 10, die Linke auf 7 und die FDP auf 5 Prozent.

Das bedeutet: Die CDU dürfte nach diesen Werten stärkste Kraft werden. Allerdings sinkt die Zustimmung für die Christdemokraten. Vor einem Jahr lag die Partei bei der Sonntagsfrage noch bei 33 Prozent, zuletzt bei 29. In der Partei gibt man sich weiter gelassen. Solange man weiter über dem CDU-Bundestrend liege, gebe es keinen Grund zur Sorge, hört man.

Aber es kann sich tatsächlich noch viel bewegen in den verbleibenden Monaten bis zur Wahl: Im Oktober 2015 lag die CDU in Umfragen noch bei rund 40 Prozent. Ein halbes Jahr später erzielten die Christdemokraten mit 27 Prozent ihr historisch schlechtestes Ergebnis.

Der Kandidat

Der Hoffnungsträger der Südwest-CDU heißt Manuel Hagel. Er ist gerade mal 37 Jahre hat, kommt aus dem schwäbischen Städtchen Ehingen, ist katholisch, spricht Dialekt, ist Kreisjägermeister, Mitglied der Narrenzunft – und will für einen modernen Konservatismus stehen.

Seit 2016 sitzt er im Landtag, im Eiltempo konzentrierte er Ämter und Macht, wurde Generalsekretär, dann Fraktionschef, dann Landeschef der CDU – und im Frühjahr will er der jüngste Ministerpräsident in der Geschichte des Landes werden. Bei seiner Wahl zum Landesvorsitzenden sagte Hagel selbstbewusst: «Das politische Erbe von Winfried Kretschmann wird bei uns in guten Händen sein.»

Hagel ist es gelungen, alte Gräben im Landesverband zuzuschütten. Die Südwest-CDU zeigt sich geschlossen wie lange nicht. Auf dem Landesparteitag im Mai kürte der Landesverband Hagel mit 93,8 Prozent Zustimmung zum Spitzenkandidaten. Als sicher gilt, dass er am Wochenende als Landeschef bestätigt wird – vermutlich mit großer Zustimmung.

Die möglichen Partner

Für eine Alleinregierung dürfte es nicht reichen für die CDU, Hagel wird Koalitionspartner brauchen. Aber wen? Mit der AfD will er keinesfalls koalieren, Hagel hat die Rechtspopulisten als Hauptgegner ausgemacht. Immer wieder betont er die Bedeutung einer Brandmauer gegen die Partei, grenzt sich ab.

Der 37-Jährige macht kein Geheimnis aus seiner Nähe zur FDP und zum liberalen Spitzenkandidaten Hans-Ulrich Rülke, gehen die beiden doch öffentlichkeitswirksam wandern und flankieren sich gerne bei inhaltlichen Vorstößen. Auch mit SPD-Chef Andreas Stoch kann Hagel gut. Für eine Deutschlandkoalition aus CDU, SPD und FDP würde es nach aktuellen Umfragen aber nicht reichen – selbst wenn die FDP wieder einziehen sollte.

Also doch wieder mit den Grünen? Die CDU wirft den Grünen immer mal wieder Ideologie und Verbotspolitik vor. «Wenn wir eine Alternative haben, eine Koalition ohne die Grünen zu bilden, ist das eher die höherrangige Alternative», sagte Hagel erst vor wenigen Tagen bei einer Podiumsdiskussion. Nur: Eine solche Alternative gibt es derzeit für Hagel nicht. Nach der jüngsten Umfrage hätte nur eine Koalition aus Christdemokraten und Grünen eine Mehrheit.

Die Strategie

Aber wofür steht die CDU eigentlich inhaltlich? Hagel verhält sich weiterhin rhetorisch vorsichtig und bleibt inhaltlich vage. Die Taktik: Bloß nichts falsch machen, Fettnäpfchen vermeiden. Denn jeder Fehltritt kann einen Kandidaten in der Wählergunst abstürzen lassen – man denke an den Flutlacher von Armin Laschet im Bundestagswahlkampf 2021. Zumal viele Menschen Hagel noch gar nicht kennen, er ist noch ein weitgehend unbeschriebenes Blatt – auch wenn er viel durchs Land tourt.

Inhaltliche Vorstöße, etwa für eine KI-Landesuniversität oder die Abschaffung von Verwaltungsebenen, hat der 37-Jährige bislang inhaltlich kaum unterfüttert. Einer von Hagels Lieblingssprüchen lautet: «Wir werden nicht alles anders, aber vieles ambitionierter machen.» Was dahintersteckt, verrät er vielleicht am Wochenende: Die CDU beschließt in Heidelberg ihr Regierungsprogramm. Es dürfte darin auf jeden Fall um Wirtschaft gehen.

Die Herausforderungen

Hagel und seine CDU müssen im Wahlkampf einen Drahtseilakt auf mehreren Ebenen vollbringen. Die Christdemokraten müssen bei den Wählern für einen Politikwechsel, für Aufbruch und Erneuerung werben, obwohl sie doch seit einem Jahrzehnt mitregieren. Sie müssen sich vom Hauptgegner AfD abgrenzen und gleichzeitig Protestwähler von Rechtsaußen zurückgewinnen – und zudem verhindern, dass noch mehr Frustrierte von der CDU zur AfD abwandern.

Und dabei bekommt Hagel derzeit nicht gerade Rückenwind aus Berlin: Die schwarz-rote Bundesregierung von Kanzler Friedrich Merz (CDU) macht vor allem mit Streitigkeiten Schlagzeilen.

Hagel muss den Wählern glaubhaft machen, dass er als noch recht unbekannter, junger Mann dem Amt des Ministerpräsidenten und der Staatsverantwortung gewachsen ist. Er muss die konservative Stammwählerschaft genauso mitnehmen wie die moderne Großstadtklientel.

Hagel muss zudem konservative Kretschmann-Fans von den Grünen zurückholen – und hat mit Cem Özdemir einen sehr politerfahrenen und prominenten Gegner, der ihm rhetorisch überlegen ist. Zwar würde aktuellen Umfragen zufolge eine Mehrheit der Baden-Württemberger eine CDU-geführte Landesregierung bevorzugen – aber wenn sie ihren Ministerpräsidenten direkt wählen könnten, würde sie sich mehrheitlich für Özdemir entscheiden.

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