Karlsruhe (mt) – Jeden Sonntag trifft Martin Wacker prominente Persönlichkeiten aus der Region. Diesmal war der musikalische Leiter des Stage Palladium Theaters in Stuttgart, Boris Ritter, zu Gast. Der gebürtige Mühlackerer war Jazz-Schüler von Klaus Wagenleiter und Pianist des BuJazzO unter der Leitung von Peter Herbolzheimer. Während seines Studiums war er musikalischer Leiter von Musical-Produktionen an der Badischen Landesbühne Bruchsal und am Stadttheater Pforzheim. Von 1998 bis 2005 begleitete Boris Ritter das Duo „Marshall und Alexander“ als Pianist. Seit 2018 ist er musikalischer Leiter im Stage Palladium Stuttgart. Doch auch neben dieser Tätigkeit engagiert er sich für die Künstlerszene in Stuttgart.
Normalerweise hat Boris Ritter alle Hände voll zu tun. Doch durch Corona ist seit einem Jahr alles anders: „Wir haben am 12. März die letzte Vorstellung ‚Ghost‘ gespielt und am 13. März zu gemacht und seitdem habe ich dreimal das Theater betreten“, so Ritter. Der Betrieb werde nur noch durch einen Hausmeister und einen Pförtner aufrecht erhalten. Alle anderen dürften das Haus zur Zeit nicht betreten. Zum Zeitpunkt, als alles geschlossen wurde, hat sich Ritters Team mitten in den Endproben für das Musical „Tanz der Vampire“ befunden: „Wir haben das in Stuttgart schön öfter gespielt. Wir waren gerade dabei, die Produktion wieder an den Start zu bringen. Im April wäre die Premiere gewesen. Wir haben ein paar neue Darsteller einstudiert. Dann haben wir zugemacht. Das soll aber tatsächlich auch die Produktion sein, die jetzt wieder raus kommt.“
Ritter sollte „Tanz der Vampire“ auch in und auswendig kennen. Er hat es schließlich schon um die 1.000 Mal gespielt und dirigiert. Trotzdem sei das Musical für ihn noch immer spannend: „Wenn Sie morgens in die Bank zum Arbeiten gehen, haben Sie auch von 10 bis 18 Uhr mit Zahlen zu tun. Die sind auch jeden Tag gleich. Unsere Vorstellungen sind tatsächlich nicht jeden Tag gleich. Wir haben immer andere Zuschauer. Wir haben ganz oft andere Leute im Orchestergraben sitzen. Haben drei verschiedene Besetzungen auf der Bühne. Haben mal mehr, mal weniger gute Laune und müssen das alles kompensieren. Der Dirigent ist nichts anderes als der Fußballtrainer. Der muss nämlich immer motivieren, dass es achtmal die Woche gleich gut ist“, erklärt der Musiker. Doch auch bei dem Stück, dass Ritter so gut kennt, kann einiges schief gehen: „Ich erinnere mich an eine Vorstellung von ‚Tanz der Vampire‘. Wir kamen ins Theater und kurz vor Vorstellungsbeginn ist der eiserne [Schutz-]Vorhang nicht mehr hochgegangen. Dann lief Hydrauliköl aus. Die Bühne stand mit zehn Zentimeter Hydrauliköl quasi unter Wasser.“ Die Crew habe sich entschieden, das Musical „Tanz der Vampire“ als Konzert aufzuführen. Das Gleiche sei auch schon bei „Mamma Mia“, „Rebecca“ und „Wicked“ vorgekommen.
Viel Zeit zu lachen haben die Schauspieler und Musiker in der Corona-Krise allerdings nicht. Die meisten von ihnen fallen durchs Raster der Hilfen: „Es ist oft so, dass die Leute nicht unbedingt immer solo-selbstständig unterwegs sind. Schauspieler sind zum Beispiel unstet beschäftigt. Das heißt, die gehen an ein Stadttheater und sind da Gast. Dort haben sie ein paar Vorstellungen und arbeiten nicht auf Rechnung. Sie sind nämlich weisungsgebunden, weil sie der Regie unterstehen. Dann dürfen sie keine Rechnung stellen, sondern sind angestellt. Das reicht meistens eben nicht, um Arbeitslosengeld zu beziehen. Aber diese Angestelltentätigkeit ist natürlich auch nicht solo-selbstständig. Also fallen sie durch das Raster der Hilfen, die jetzt ausgeschrieben sind.“ Auch wenn die Regierung die Bedingungen für die Hilfen inzwischen etwas angepasst habe, hätten viele der Künstler letztes Jahr nichts bekommen, so der musikalische Leiter.
Gerade im Darstellerbereich sehe Ritter genug Leute, die sich durch die Corona-Krise jetzt gezwungenermaßen umorientieren mussten. Um Künstlerinnen stärker unter die Arme zu greifen, haben Ritter und ein paar seiner Kollegen die Organisation „Arts Upon Stuttgart“ gegründet. Vergangenes Jahr hat diese jeden Samstag einen Livestream veröffentlicht, in dem immer ein Gast aus der Kunst- und Kulturszene zu sehen gewesen ist. So haben Ritter und seine Kollegen Spenden für freiberufliche Künstler in Stuttgart und Umgebung gesammelt. Insgesamt 18.000 Euro sind dabei zusammengekommen. Im November durfte die Organisation aber keine Livestreams mehr machen. Ritter hat stattdessen mit seinem Kollegen Hannes Staffler den Song „Zusammen“ geschrieben. An der Aufnahme waren unterschiedliche regionalen und überregionalen Künstler beteiligt, die jeweils eine Zeile von zu Hause aus aufgenommen haben. Der Song wurde zusammengemischt und mit einem kleinen Video veröffentlicht. Die Einnahmen aus dem Downloadverkauf kommen den Künstlern zu Gute. Sie finden ihn hier.