Mössingen (pm/tk) – Eine kleine Sensation in der Südwest-Vogelwelt: Am Wochenende hat der NABU in Mössingen im Kreis Rastatt zwei junge Fischadler beringt. Seit 1907 sind es die ersten Fischadler-Küken, die in freier Wildbahn geschlüpft sind. Die Vogelforscher haben ihnen die Namen „Balbü“ und „Kju“ gegeben.
„Die Spannung war groß, wir wussten nicht, wie viele Jungvögel uns oben im Horst erwarten. Umso größer ist die Erleichterung darüber, dass sich Balbü und Kju bester Gesundheit erfreuen“, berichtet Daniel Schmidt-Rothmund. Der Leiter des NABU-Vogelschutzzentrums setzt sich seit Jahrzehnten für die Rückkehr der Greifvögel ein.
Kreis Rastatt, 14 Uhr: Profi-Kletterer Georg Bürk holt die Jungvögel aus ihrem Nest in luftigen 25 Metern Höhe und lässt sie vorsichtig in einem Sack an einem Seil herunter. Dabei fallen die knapp fünf Wochen alten Adler in eine natürliche Schreckstarre. Die Elterntiere kreisen über dem Horstbaum und beobachten aufmerksam.
Am Waldboden nimmt der Ornithologe die Jungvögel Schmidt-Rothmund behutsam in Empfang. Als erstes steht der Gesundheitscheck auf dem Programm: untersuchen, wiegen und vermessen. „Wir haben hier ein 1.458 Gramm schweres Weibchen und ein 1.178 Gramm schweres Männchen – sehr guter Durchschnitt für die Altersklasse“, erklärt der NABU-Fachmann. Anschließend werden die Jungadler doppelt beringt, mit je einem etwa fünf Gramm leichten Ring an jedem Bein. Damit kann man sie eindeutig identifizieren.
Mit der Beringung erhalten die kleinen Fischadler ihre Namen: „Balbü ist eine Kurzform des französischen Worts für Fischadler, Balbuzard. Kju nimmt Bezug auf den charakteristischen ‚kju-kju-kju‘-Warnruf“, so Schmidt-Rothmund.
Nach wenigen Minuten geht es mit dem Seillift wieder sicher nach oben. Kletterer Bürk setzt die beiden Jungadler wohlbehalten in ihrer Kinderstube über den Baumwipfeln mit Rundblick ab. Im Horst, den Schmidt-Rothmund vor zwei Jahren dort im Landkreis Rastatt installiert hatte, kehrt binnen weniger Minuten wieder Familien-Normalität ein. In rund drei Wochen, etwa Mitte Juli, werden Balbü und Kju ihre ersten Flugübungen machen. Im August verlassen sie die badische Oberrheinebene und legen rund 5.000 Kilometer bis ins westliche Afrika zurück, wo sie überwintern.