Stuttgart (dpa/nr) – Eine Frau starb, mehrere Menschen wurden verletzt. Weshalb ist ein Luxus-Geländewagen in Stuttgart in eine Menschenmenge gefahren? Inwiefern werden SUVs als gefährlich dargestellt? Die Vernehmung des Fahrers und mehrerer Zeugen soll Aufschluss geben.
Zum anderen ist da die Suche nach Antworten. Was zu dem Unfall an einer großen Kreuzung direkt an einer Stadtbahn-Haltestelle führte, bleibt bis auf weiteres ungewiss. Eine neue Mitteilung der Ermittler wird in Aussicht gestellt.
Am Freitagabend war ein Sachverständiger vor Ort. Polizistinnen und Polizisten vermaßen das schwarz lackierte Unfallauto, fotografierten und leuchteten auch noch einmal mit einer Taschenlampe unter die Mercedes-G-Klasse, als ein Abschleppwagen das Fahrzeug mit Hilfe eines Krans in die Luft gehoben hatte.
An der Unfallstelle lagen am Abend noch Überreste des Arbeitsmaterials der Rettungskräfte: Plastikhandschuhe, Tüten, Verbandszeug. Am Unfallort lag auch ein zusammengeklappter Kinderwagen.
Schon am Abend gab es zumindest für die verletzten Kinder vorsichtig Entwarnung aus dem Krankenhaus. „Ein Kind wurde am Abend noch operativ durch Traumatologen und Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen operativ versorgt und wird im Anschluss intensivmedizinisch weiterbehandelt“, erklärte der Sprecher des Klinikums Stuttgart, Stefan Möbius. Zum Zustand der beiden laut Feuerwehr zunächst lebensgefährlich verletzten Erwachsenen äußerte sich das Klinikum in der Nacht nicht weiter.
Das Klinikum erhöhte nach der Alarmierung der Leitstelle sofort seine Intensivkapazitäten. „Da die Notaufnahme freitagabends ohnehin stark beansprucht ist, wurde sofort zusätzliches Intensivpersonal des Hauses alarmiert“, sagte Jan Steffen Jürgensen, Vorstand des Klinikums Stuttgart.
Immerhin: Die Opfer gelten nach der Nacht als nicht mehr in Lebensgefahr.
Zeugen würden verhört, sagte eine Polizeisprecherin. Unfallspezialisten schauen sich demnach den Ort genau an.
Der Vorfall ereignete sich gegen 17:50 Uhr an der oberirdischen U-Bahn-Haltestelle Olgaeck. Das Fahrzeug kam teils auf der Straße, teils auf dem Bereich, auf dem sonst Fußgänger an der Ampel warten müssen, zum Stehen. Das eigentlich stabil wirkende Metallgerüst dahinter wurde umgebogen.
Feuerwehr, Rettungskräfte und Polizei befanden sich in dem weiträumig abgesperrten Bereich und hängten den Ort des Vorfalls mit Planen zum Sichtschutz ab. Leichtverletzte wurden in einer Art Bus der Feuerwehr behandelt und konnten diesen nach und nach wieder verlassen.
Laut der Polizeisprecherin fuhren auch die Bahnen nicht mehr. Die Haltestelle liegt mittig, auf dieser Seite führt die Straße stadtauswärts, auf der anderen Seite stadteinwärts. Wann die Sperrung der zentralen Stuttgarter Verkehrsachse wieder aufgehoben werden kann, sei noch unklar, sagte ein Polizeisprecher.
Auf dem Boden in dem abgesperrten Bereich unmittelbar vor dem dunklen Fahrzeug – laut Polizei eine Mercedes-G-Klasse – lagen Decken und mehrere Plastiktüten. Die Mercedes-G-Klasse ist eine Art Geländewagen.
Liegt eine Ursache für die Verletzten-Zahl in der Wucht, die ein Geländewagen mit sich bringt? Bis das geklärt ist, wird es wohl noch eine Weile dauern.
Immer mal wieder kommt es aber zu Unfällen mit großen, schweren Fahrzeugen – häufig sogenannten SUVs (Sports Utility Vehicle: Geländelimousine oder Stadtgeländewagen). So war im Oktober ein Fahrer in Esslingen bei Stuttgart damit ins Schleudern geraten und nach rechts auf den Gehweg abgekommen. Eine Mutter und ihre drei und sechs Jahre alten Söhne kamen ums Leben.
2019 sorgte ein Unfall in Berlin für Aufsehen: Nach einem epileptischen Anfall rammte der Fahrer mit einem SUV eine Ampel, der Wagen überschlug sich mehrfach. Dabei erfasste er mit einem Tempo von mehr als 100 Kilometern pro Stunde vier Menschen auf dem Gehweg. Sie hatten keine Chance. Eine Debatte über ein SUV-Verbot in Innenstädten entbrannte. Und ebbte wieder ab.
SUV seien im Unfallgeschehen auch nicht gefährlicher als andere Pkw, teilte die Björn-Steiger-Stiftung nach Auswertung statistischer Daten im Dezember mit. „Grundsätzlich beeinflussen viele Parameter die reale Verletzungsgefahr. Eine hohe Front ist nicht unbedingt gefährlicher als eine kurze Front bei einem Kleinwagen“, erklärte Siegfried Brockmann, Unfallforscher der Stiftung, die einst nach dem Tod eines Achtjährigen infolge eines Autounfalls gegründet worden war.
Wie schwer sich ein Opfer verletzt, hängt demzufolge maßgeblich mit davon ab, ob der Kopf gegen den Scheibenrahmen prallt. Dies sei das härteste Teil am Fahrzeug. Gar nicht vorherzusehen sei der sogenannte Sekundäraufprall, hieß es. Gemeint ist die Kollision mit einem Hindernis oder der Fahrbahnoberfläche.
Im Jahr 2023 erfasste das Statistische Bundesamt 159.118 Verkehrsunfälle mit Personenschaden, bei denen das Fahrzeug in ein Segment eingeordnet wurde. 15.285 Mal waren SUV Hauptverursacher, 8.885 Mal Geländewagen.
Der Anteil der Fußgänger unter den bei den Unfällen Getöteten war jeweils gering: Unter 121 Toten nach von SUV verursachten Unfällen waren 7 Fußgänger. Bei Geländewagen waren es 8 von 81.