Advent im Ausnahmezustand - droht harter Lockdown im Land?

09. Dezember 2020 , 09:51 Uhr

Stuttgart (dpa/lk) – Zuerst die stille Nacht, dann der Stillstand: Das Land steuert ungebremst auf einen harten Lockdown zu. Für extreme Hotspots will das Land schon früher die Regeln verschärfen. Erst wird das Alltagstreiben in der Adventszeit deutlich zurückgefahren. Dann werden die Corona-Regeln an Weihnachten wieder gelockert – nur damit direkt nach den Feiertagen der komplette Stillstand droht. Die Corona-Politik ist verwirrend. Aber der Wind weht klar in Richtung Lockdown.

Wird das öffentliche Leben bald komplett runtergefahren?

Alle Anzeichen deuten darauf hin, weil die Zahlen ungebremst steigen. Als Zeitraum für einen erneuten Lockdown wird die Phase nach den Feiertagen bis zum 10. Januar genannt. Dann seien sowieso Ferien und der wirtschaftliche Schaden überschaubar, so die Argumentation. Ministerpräsident Winfried Kretschmann tendiert zu einer solchen Lösung. „Ein scharfer Lockdown nach den Weihnachtstagen rückt näher“, sagte der Grünen-Politiker am Dienstag. Auch Vize-Regierungschef Thomas Strobl und die CDU-Spitzenkandidatin zur Landtagswahl, Susanne Eisenmann, sprachen sich für einen kurzen, scharfen Lockdown aus. Einen Alleingang will Baden-Württemberg aber nicht machen – und drängt auf ein zeitnahes Gespräch von Bund und Ländern.

Darf ich denn Weihnachten trotzdem mit der Familie feiern?

Nach dem derzeitigen Stand: Ja. Trotz der ausufernden Infektionszahlen hält die Landesregierung an den geplanten Lockerungen für die Feiertage fest. Vom 23. bis zum 27. Dezember dürfen sich zehn Personen treffen, unabhängig vom Verwandtschaftsgrad und der Zahl der beteiligten Haushalte. Ob man sich aber wirklich neun Freunde zum Gans-Essen einladen sollte, nur weil es gesetzlich erlaubt ist, steht auf einem anderen Blatt. Kretschmann findet die Lockerungen nicht unriskant. Die Landesregierung hält sich auch ein Hintertürchen offen im Adventskalender: Die Lockerungen für Weihnachten seien abhängig vom Pandemiegeschehen, heißt es.

Darf ich noch Glühwein in der Innenstadt trinken?

Nein, den sollte man ab sofort in den eigenen vier Wänden genießen. Damit sich keine Riesenschlangen und angeheiterte Gruppen mehr an Glühweinständen in den Stadtzentren versammeln, verbietet die Landesregierung den Alkoholausschank unter freiem Himmel. Der eh schon eingeschränkte Budenzauber in der Adventszeit hat sich damit erledigt. Lucha will das Verbot in die Corona-Verordnung aufnehmen. Er rief die Kommunen am Dienstag dazu auf, bereits vorher eigene Verbote per Allgemeinverfügung zu erlassen.

Was darf ich in der Adventszeit denn noch?

Bis zum 23. Dezember dürfen sich lediglich bis zu fünf Personen aus nicht mehr als zwei Haushalten treffen. Kinder unter 15 Jahren werden nicht mitgezählt. Die Maskenpflicht gilt unter anderem im Öffentlichen Nahverkehr und im Handel, vor Einkaufszentren, Ladengeschäften und Märkten. Generell muss überall Maske getragen werden, wo der Abstand von 1,5 Metern nicht eingehalten werden kann – etwa in stark besuchten Fußgängerbereichen wie Einkaufsstraßen. Kommunen können darüber hinaus noch Orte festlegen.

Was bedeutet das Leben im Hotspot für den Alltag?

In Regionen mit mehr als 200 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner in sieben Tagen gelten besonders scharfe Regeln. Öffentlich und privat darf sich dann nur noch ein Haushalt mit einer weiteren Person treffen, maximal aber fünf Personen. Veranstaltungen werden mit wenigen Ausnahmen verboten. Das Verlassen der Wohnung ist in den betroffenen Kreisen zwischen 21:00 Uhr und 5:00 Uhr nur noch aus triftigen Gründen erlaubt. Dazu gehören berufliche Tätigkeiten und der Besuch beim Arzt und Therapeuten. An Schulen in betroffenen Stadt- und Landkreisen kann es Wechsel- und Fernunterricht in älteren Jahrgangsstufen geben. Acht Kreise überschreiten derzeit die kritische 200er-Marke – darunter die Städte Pforzheim, Mannheim, Heilbronn sowie die Landkreise Calw, Heilbronn, Tuttlingen, Lörrach und der Enzkreis.

Und wenn die Infektionszahlen trotzdem weiter steigen?

Dann werden die Regeln noch weiter verschärft. Man werde noch diese Woche für Regionen mit mehr als 300 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner in sieben Tagen drastische Maßnahmen beschließen, kündigte Kretschmann an. Die konkreten Maßnahmen müssten noch besprochen werden – der Grünen-Politiker nannte aber bereits schärfere Ausgangsbeschränkungen, mehr Fernunterricht und die weitere Schließung von Einrichtungen. Die Schulpflicht werde nicht aufgehoben – höchstens die Präsenzpflicht. Bisher liegt nur Pforzheim über der 300er Marke – derzeit der extremste Hotspot im Land.

Wie ist die Lage in Pforzheim?

Geografische Schwerpunkte seien nicht festzustellen, sagt die Leiterin des Gesundheitsamts, Brigitte Joggerst. „Es gibt zwar immer wieder einzelne Abweichungen, aber da dies wechselt, sehen wir kein erkennbares Muster.“ Massiv seien wieder Menschen älter als 80 Jahre erkrankt. Es gebe Ausbrüche in mehreren Seniorenheimen der Region. Pforzheim liegt seit Sonntag weit über der 300er-Marke und nimmt damit den traurigen Spitzenplatz im Land ein. Das stellt nicht nur Krankenhäuser und Ärzte vor besondere Herausforderungen: „Bei diesen hohen Zahlen schaffen wir es nicht, die Kontaktpersonen aller Infizierten zeitnah abzutelefonieren und zu isolieren, um eine unkontrollierbare Weiterverbreitung des Coronavirus zu verhindern“, sagt Joggerst.

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